Konny Reimann
der Biss eines solchen Achtbeiners ist eher mit dem Stich einer Wespe oder einer Hornisse zu vergleichen. Aber für jemand, der eine gewisse Aversion gegen Spinnen und prinzipiell alles ungelenk Krabbelnde hat, ist das Sichten dieses behaarten Eindringlings allein schon lebensbedrohlich. Zumindest war es das für Manu. Janina und Jason eilten zur Hilfe, ohne dass einer der beiden bereit war, das Tier heldenhaft alleine hinauszubefördern. Also wurden eine Kiste und ein Besen bemüht, um das Tier aus dem Haus zu bekommen. Die Vogelspinne erwies sich als recht standhaft, und erst nach einem mächtigen Stoß mit dem Besen ließ sie sich vom Fleck bewegen. So ganz ging der Plan aber trotzdem nicht auf, denn acht Beine können auch laufen, und der Schubser und die eigene Dynamik der behaarten Spinne beförderten sie am Karton vorbei auf den Boden, von wo aus sie flink weiterlief in eine schwer zu erreichende Ecke unter Manus Schreibtisch. Was in diesem Moment bei den Großwildjägern los war, muss ich nicht eigens erläutern. Erst nach einem weiteren Versuch, immer in einem gewissen Sicherheitsabstand zum eigentlich ja nicht lebensbedrohlichen Gast, gelang es der hauseigenen Armee, das Tier in den Karton zu treiben und anschließend in die freie Wildbahn zu entlassen.
ls es zur Eröffnung vom ersten Gästehaus hin ging, arbeitete ich damals fast neunzig Stunden die Woche, und die gesamte Familie sah: Jetzt is’ ernst. Natürlich hatten sie auch vorher schon alle mitgeholfen, aber nun galt es noch mal, alle Kräfte zu bündeln und in einer Hauruck-Aktion das Haus startklar zu machen. Es gelang. Doch zwei Tage bevor die ersten Gäste eintrafen, um darin zu wohnen, gab es noch keine Terrasse für das Bauwerk. Nicht mal einen Ansatz dafür. Aber zwei Tage sind 48 Stunden und eine Veranda ist kein Hexenwerk, also spuckte ich in die Hände. Als ich gerade angefangen hatte und etwas Werkzeug von oben holen wollte, rief mal wieder ein Unbekannter am Zaun nach mir. Es war ein junger Mann, der deutsch sprach und sagte, er kenne uns aus dem Fernsehen. Nach den diversen RTL-Beiträgen und der wunderbaren Resonanz darauf war das kein Wunder, und der Mann war beileibe nicht der Erste, der bei uns auf der Matte stand. Auch er wollte sich gerne etwas mit uns unterhalten. Wahrheitsgemäß sagte ich ihm, dass ich nicht die geringste Zeit hätte, die Arbeit würde lauter rufen, als mir lieb wäre. Er zögerte nicht eine Sekunde und fragte, ob ich Hilfe brauchte. Ich nehme nicht oft Hilfe in Anspruch, allein schon, weil es meist nicht notwendig ist. Genau an diesem Tag, zu dieser Stunde jedoch, kam die angebotene Hilfe wie gerufen. Die Veranda. Ich willigte also schnell ein, und der sich als Franz vorstellende Mann und ich machten uns zusammen ans Werk. Wie die meisten der Leute, die wir im Zuge unseres neuen Lebens kennenlernen, stellte sich auch Franz als überaus netter und hilfsbereiter Mensch heraus. Er und seine Freundin Beate kamen aus Stuttgart und betrieben dort ein Restaurant und in einer anderen Gegend in Süddeutschland noch eine Indoor-Moto-Cross-Strecke. Sie hatten aber vor einiger Zeit schon ein Haus in Celina gekauft, einem kleinen Ort südöstlich von Gainesville, zwischen Pilot Point und McKinney. Auf lange Sicht planten auch sie, hierher überzusiedeln und ihr Leben nach Texas zu verlagern. Auch Beate und Franz waren die umständlichen Reglements, die speziell ihre beiden Unternehmungen in der Heimat betrafen, leid und wollten mit etwas mehr Freiheit und in einer netten Umgebung ihr Leben fortsetzen.
Keine 48 Stunden nachdem Franz mich am Eingang abgepasst hatte, konnte man sich auf der neuen Holzterrasse unseres Gästehauses genüsslich der Abendsonne zuwenden. Nun brauchten wir nur noch einen Namen für die Hütte. Ich erinnerte mich an die Häuser in Hamburg-Blankenese, die, genau wie unser frisch fertig gewordenes Haus, ebenfalls alle in den Hang hineingebaut wurden. Da erschien es nur logisch, ein „Haus Blankenese“ in Texas zu ernennen. Die Gäste konnten kommen; sie kamen, ich gab ihnen ein Bier, und wir hatten, wie mit den meisten unserer Besucher, eine Menge Spaß. Aber das ist (mindestens) eine andere Geschichte.
Am 20. April 2007 wurde „Blankenese“ fertig. Mit dem letzten Hammerschlag kamen die ersten Gäste, Egon und Dani aus Deutschland und der Schweiz, und machten es sich in dem frisch grunderneuerten hellblauen Haus gemütlich. Es sollten noch viele weitere Besucher folgen. Genau
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