Konny Reimann
teilzunehmen. Eine Woche bevor das Ganze über die Bühne gehen sollte, konnten wir uns in Pilot Point den online für gut befundenen Bus ansehen. Wir begutachteten ihn und konnten nichts entdecken, was wir daran auszusetzen hatten. Im Gegenteil, er gefiel uns auf Anhieb. Also vereinbarten wir mit Robin, dass für die Auktion die Grenze von 700,– Dollar nicht überschritten werden sollte, und als der Tag kam, setzte sich unser Freund an den Rechner, als würde er zu Christie’s gehen. Robin hob so lange seine virtuelle Hand, bis die Summe erreicht war. Andere Bieter blieben hartnäckig dran, und gerade, als er schon resignieren wollte, weil er nicht weiterbieten konnte, war die Auktion zu Ende. Das gute Stück wurde ihm zugesprochen. Exakt 700,– Dollar mussten wir ausgeben. Er hatte es gerade so geschafft. Am 28. Oktober 2006 wurden wir stolze Eltern eines Schulbusses.
Der Bus war naturgemäß nicht mehr als nagelneu zu bezeichnen, und so blieb es nicht aus, dass er ab und zu Macken hatte und reparaturbedürftig war. Kein Problem, ich schraube an Autos herum, solange ich denken kann. Das einzige Mal, an das ich mich erinnere, dass der Ex-Schulwagen zu einem kleinen Problem wurde, war, als ich eines Tages mit ihm in unserer Gegend unterwegs war. Kurz hinter Gainesville ging das Getriebe kaputt. Da ich den Schaden nicht vor Ort reparieren, sondern nur notdürftig flicken konnte, musste mein orangefarbener Freund zurück zum See. Also fuhr ich mit 10 km/h und Warnblinklicht die Landstraße entlang. Es dauerte eine gefühlte Woche. Das Problem weitete sich aus, da man in Amerika Schulbusse mit Warnblinklicht nicht überholen darf. Ich muss nicht eigens erwähnen, dass ich binnen kürzester Zeit eine Auto-Karawane hinter mir herschleppte, die aus der Luft wie eine Blechschlange mit orange leuchtendem Kopf ausgesehen haben muss. Neue Freunde habe ich an diesem Nachmittag auf der Strecke sicher nicht gefunden. Wie viele Autos es wirklich waren, die brav hinter mir ihre zehn Stundenkilometer absolvierten, sah ich erst, als ich zu Hause in die Einfahrt bog. Es kam mir vor, als wären es Hunderte, die im Vorbeifahren wahrscheinlich noch diverse Verwünschungen durchs Fenster in meine Richtung schleuderten. Ich konnte es nicht ändern.
eben dem Schulbus sammelte sich langsam eine kleine Armada von Autos bei uns an. Manu fuhr den roten Pick-up, unser erstes US-Auto, das wir schon vor unserem Umzug hier gekauft hatten. Ich war oft mit dem schwarzen, noch etwas breiteren Pick-up aus Deutschland unterwegs. Dazu kamen im Laufe der Zeit noch Jasons ebenfalls roter Pick-up, den er sich selbst gekauft hatte, und Janinas Ford Taurus, den sie übrigens Robin abgekauft hat, kurz bevor sie den Führerschein gemacht hat. In Amerika muss man nämlich absurderweise den Führerschein in seinem eigenen Auto machen, das man zur Fahrprüfung mitzubringen hat. Autos sind in Amerika, speziell in unserer Gegend, wie Schuhe – wer keins hat, gilt fast schon als obdachlos.
Nebenan stand bei einem unserer Nachbarn, Rick, ein weißer Chevy Suburban im Garten; wie ich später erfuhr, schon vier Jahre lang. Die Reifen waren hinüber, fast alle platt, das Getriebe war ebenfalls defekt, es gab keinen Zündschlüssel, und das Schloss war ohnehin geknackt worden. Ich fragte Rick, was mit dem Ding wäre, und er sagte nur: „Nimm mit, kannste haben.“ Ich beschloss, den Wagen wieder flottzumachen, damit er ihn für die Handwerker nutzen konnte, die ihm seinen Riesenpalast erweiterten, oder für meinen eigenen Gebrauch. Allerdings war der Suburban in einem derart bemitleidenswerten Zustand, dass ich heute noch an den einzelnen Krankheiten des Autos herumdoktere. Immer wieder mal, wenn Zeit ist, nehme ich mir eine neue Wunde dieses an allen Ecken blutenden Wagens vor. Für Rick war das Geschenk an mich kein Verlust. Den weißen Chevy hatte er längst abgeschrieben, wenn nicht gar vergessen. Hundert Meter weiter die Schotterstraße hinunter plante er auf seinem Grundstück ein Gebäude, das seine ganze Aufmerksamkeit brauchte. Aber das ist eine andere Geschichte. Denn interessant ist vielmehr, wie ich ihn schon ein paar Monate vorher getroffen hatte, und dass ich ihn überhaupt getroffen habe.
Bevor ich Rick kennenlernte, hatte ich die Bekanntschaft mit unserem Nachbarn Tom gemacht. Er wohnte direkt gegenüber von uns, näher zur Landstraße hin, auf der anderen Seite des Schotterweges oben am Eingang. Tom war ein etwas älterer
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