Konny Reimann
Zeitgenosse, der einen netten Eindruck machte. Wir verstanden uns gut, auch wenn ich fand, dass irgendetwas an ihm komisch war. Eines Tages traf ich Tom und Rick auf dem Weg vor unserem Grundstück. Wir plauderten ein paar Minuten, bis Rick wieder zurück zu seinem Haus musste. Kaum war Rick außer Reichweite, sagte Tom: „Weißt du, Rick, der erzählt immer nur. Das ist ein Schnacker.“ Ich kannte Rick noch nicht so gut und war erstaunt, das zu hören. Aber wenn Tom es sagte, würde es vermutlich stimmen.
Ich sah beide dann länger nicht. Eines Tages saß ich auf dem Grundstück am Moss Lake am Computer und versuchte, daran zu arbeiten, als ich an der Aufgabe scheiterte, mir eine E-Mail-Adresse einzurichten. Die Kiste lief einwandfrei, aber die E-Mail-Geschichte wollte mir einfach nicht gelingen. Ich probierte diverse Wege aus, aber nichts klappte. Am gleichen Tag traf ich vor unserem Eingang Tom wieder und fragte ihn, ob er sich mit Computern auskenne, ich hätte ein Problem. Er sagte, ja klar, das wäre eine seiner leichtesten Übungen, er könne auf dem Ding in Nullkommanichts eine E-Mail-Adresse einrichten. Er erzählte mir, dass er Programmierer sei. Seine Firma würde ihn immer einsetzen, wenn es bei anderen großen Unternehmen etwas zu installieren gebe, umfangreiche Computersysteme und so. Also setzte er sich an meinen bescheidenen, kleinen Apparat und bastelte ein paar Stunden an dem PC herum. Nach einer Weile kam es mir schon etwas komisch vor, da er ja gesagt hatte, wie einfach es sei, aber ich vertraute ihm. Schließlich hatte ich ja auch lange davorgesessen, bevor ich aufgab.
Irgendwann stand er auf und sagte: „Nichts zu machen, der Computer ist kaputt.“
Ich war ziemlich erstaunt, weil er noch funktioniert hatte, bevor Tom kam, und lediglich mein eigener E-Mail-Account fehlte. Jetzt, nachdem Tom versucht hatte, ihn zu reparieren, ging nichts mehr.
„Hm, das ist ja komisch“, sagte ich. „Vorhin ging das Teil noch. Was hast du gemacht?“
„Nichts. Er ist kaputt, nicht mehr zu gebrauchen.“
Tom verabschiedete sich, und ich blieb zurück mit einem Haufen wertlosem Technikmüll in einem viereckigen Kasten. Am nächsten Tag kam Tom erneut vorbei. Er hatte offensichtlich zu Hause von dem Vorfall berichtet und sagte: „Wir haben ein Problem. Meine Frau sagt, ich hätte deinen Computer zerstört. Denkst du das auch?“
Ich antwortete etwas zurückhaltend: „Weiß nicht. Als du kamst, ging er noch, zwei Stunden später war der Bildschirm schwarz.“
Das war scheinbar nicht die Antwort, die Tom hören wollte, aber etwas anderes als die Wahrheit hatte ich nicht anzubieten. Er ging wieder, und ich habe seitdem nichts mehr von Tom gehört. Absolute Funkstille.
Kurze Zeit später bekam ich auch Rick wieder zu Gesicht. Sein Haus lag etwas weiter hinten die Schotterstraße runter. Ich hatte gerade nichts Wichtiges zu tun und lud ihn auf ein Bier in unsere Hafenkneipe ein. Aus einem Bier wurde ein ganzer Nachmittag. Wir haben lange geredet und festgestellt, dass es in unseren Biografien ein paar Gemeinsamkeiten gibt. Auch er hatte nicht die leichteste Kindheit, und auch er hat alles, was er besitzt, mit seinen eigenen beiden Händen geschaffen. Er ist italienischer Abstammung. Wie sich schon bald herausstellte, ist Rick einer der ehrlichsten Menschen, die ich je getroffen habe. Wir verstanden uns auf Anhieb gut, er hat gleich von Anfang an viel von sich preisgegeben. In der nächsten Zeit trafen wir uns öfter auf ein Bier, und ich erzählte ihm ebenso viel von mir wie er von sich. Er war dabei so offen, dass ihm einmal beim Erzählen alter Geschichten sogar Tränen in den Augen standen. Es gibt nicht viele Menschen, die sich derart öffnen, schon gar nicht einem einigermaßen fremden Menschen gegenüber. Aber scheinbar hatte er genau das gleiche Gefühl wie ich und vertraute mir. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge, hatten oft dieselben Ansichten. Wir lamentierten über amerikanische Krankenversicherungen, waren beide der Ansicht, dass die USA mehr Fremde ins Land lassen müssen, Europäer, Experten, die in den verschiedensten Bereichen das Land noch weiter voranbringen können. Wir stellten fest, dass hier, wie in den meisten Ländern, mehr für die Bildung und für Kinder getan werden müsse. Aber auch abseits dieser offensichtlichen Missstände, die aber immerhin für einen Amerikaner auch erst mal von Interesse sein und artikuliert werden müssen, gab es noch zig andere Bereiche,
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