Konny Reimann
die wir per Handschlag hätten verabschieden können, so sehr ähnelten sich unsere Blickwinkel. Schnell und ohne es zu verabreden war klar, dass wir uns gegenseitig das Herz würden ausschütten können. Und das taten wir dann auch.
Ich erzählte ihm auch die Geschichte von Tom und dem Computer, und Rick musste unweigerlich lachen. „Das passt zu Tom. Es gibt nichts, was er nicht kann. Zumindest behauptet er das.“ Rick sagte, er befürchte, dass es vielmehr zwei von Toms besten Freunden seien, Jim Beam und Johnny Walker nämlich, die ihm das immer wieder einredeten, und auch ich hatte schon eine derartige Ahnung. Wie dem auch sei, es geht uns nichts an. Ich bin froh, auf diese Weise immerhin Rick kennengelernt zu haben.
Bei Rick und Tom merkte ich erneut, dass mich mein Gefühl, was Menschen anbetrifft, immer seltener trügt. Rick war einfach überzeugender und kam weitaus ehrlicher rüber als Tom. Angeblich ordnet man Leute ja in den ersten sieben Sekunden einer Begegnung ein und kann diese schnell entstandene Meinung dann sieben Jahre lang nur mühsam wieder ändern, wenn überhaupt. Über zeitliche Messwerte meiner Beurteilung weiß ich nichts, aber ich brauche Menschen nur in die Augen zu schauen und auf die Hände und kann dann sehr schnell taxieren, mit wem ich es zu tun habe.
Tom ist irgendwann weggezogen, ich habe keine Ahnung, was aus ihm und seiner Frau geworden ist. Vielleicht haben sie woanders ihr Glück gefunden. Ich hatte den Eindruck, dass sie hier am Moss Lake so gut wie keine Freunde hatten. Ihr Haus steht jetzt schon seit über einem Jahr leer.
Rick war schon deshalb anders als die meisten Amerikaner, weil er die Welt gesehen hatte. Er kannte Europa, kannte andere Kulturen und war interessiert an ihnen. Er arbeitete als Projektleiter für eine Firma, die in aller Welt Industriehallen baute, und war dementsprechend viel unterwegs. Nebenher begann er irgendwann, günstig Grund und Boden zu kaufen und diesen dann nach ein paar Jahren der Wertsteigerung wieder zu verkaufen. Auf diese Art und Weise hatte er einen Haufen Geld verdient, war aber mehr als auf dem Boden geblieben. Man kann sich ihn wie ein großes Kind vorstellen. Ein Brummbär, der, wenn es drauf ankommt, ungeheures Wissen und immense Fähigkeiten offenlegt.
Auch das Grundstück, das zwei Häuser neben unserem liegt, hatte er bereits vor Jahren erworben, als Moss Lake für viele in der Gegend noch ein Phantom war. Er lebte damals in einem kleinen Trailer auf seiner Fläche Land und fing erst später an, sich dort nach und nach ein großes Haus hinzustellen. Aktuell erweitert er das Ganze um eine Riesenterrasse mit einer kleinen Bühne, um seiner heimlichen Leidenschaft, dem Karaoke-Singen, noch besser mit Freunden nachgehen zu können. Ich brauche, glaube ich, nicht zu erwähnen, dass wir inzwischen mehr als einmal zusammen „My way“ mit seiner Maschine intoniert haben. Die anderen Nachbarn und Moss Lake mögen uns bitte den ein oder anderen schiefen Ton verzeihen.
Unser halbitalienischer Nachbar hat aber noch andere Fähigkeiten, die mit meinen besser zusammenpassen als Ernie und Bert. Der Mann hat so viel Unsinn im Kopf, dass er eigentlich in der Unterhaltungsindustrie arbeiten müsste. Er kanalisiert seine abenteuerlichen Ideen aber in seine Freizeit. Zuletzt hat er dabei immer öfter seine Tage und Abende mit uns verbracht. Rick ist Besitzer eines Motorboots und kommt irgendwann mit immer neuen absurden Vorschlägen um die Ecke, die, na klar, ich dann ausführen soll. Er weiß, dass er damit jemanden fragt, der die Wörter „nein“ und „unmöglich“ schon lange aus seinem Wortschatz gestrichen hat.
So fand ich mich bald auf Moss Lake im Wasser wieder, unter den Füßen eine Spanplatte oder gar eine Badewanne unterm Hintern, und wartete darauf, dass das Motorboot zwanzig Meter vor mir mit Rick als Kapitän losfuhr, um mich, der an einem dicken Seil mit dem Boot verbunden war, die neueste Wasserski-Kreation ausprobieren zu lassen. Rick kennt keine Grenzen und erwies sich schon allein deshalb als mein verloren geglaubter Zwilling. Bei der Geburt getrennt? Womöglich. Ich höre ihn noch, wie er zu uns kommt, auf irgendetwas zeigt und sagt: „Hey, Konny, lass uns mal ausprobieren, ob man auch damit Wasserski fahren kann.“ Oder: „Hey, Konny, bist du schon mal mit Flügeln Wasserski gefahren?“, „Bist du schon mal im Kanu von einem Motorboot gezogen worden? Wollen wir das mal
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