Konny Reimann
ungefährlich. Dennoch kamen wir eigentlich gut voran und hatten den Kameraden schon glattgeschoren, als es zum finalen Akt, dem Umstürzen, kam. Nach den ersten paar Bäumen hatten wir bereits unsere Erfahrung, wie man die Stämme unten ansägen muss, damit sie am Ende in die richtige Richtung fallen. Allem Anschein nach machten wir auch bei diesem größten Exemplar alles richtig; der Baum ächzte und war drauf und dran, stöhnend ins Nichts zu fallen, als er uns scheinbar im letzten Moment noch einen reinwürgen wollte und anfing, sich zu drehen. Fest stand, dass wir zu diesem Zeitpunkt nicht das Geringste mehr tun konnten, um eine Katastrophe zu verhindern. Der Baum würde dahin kippen, wohin er kippen wollte; stünde ihm etwas im Weg, müsste es schon aus besonderem Schrot und Korn sein, um diesen Angriff zu überleben. Wie in Filmen immer die Angeschossenen schien auch der Baum von der Wucht einer fremdem Macht getroffen, drehte sich um die eigene Achse, um dann taumelnd nach hinten zu kippen. Statt ins Landesinnere drehte er sich also zum See hin, erst ein bisschen, dann immer mehr. Zunächst zeigte er im Fallen Richtung Steilhang, was kein Problem gewesen wäre, denn dort stand zu diesem Zeitpunkt nichts, zumindest nichts, was nicht hätte unter ihm begraben werden können. Der Baum machte in seiner Bewegung aber nicht halt und rotierte weiter. Als Nächstes lag die Hafenkneipe in seinem Radius. Es war grotesk. Der Riese wollte nicht gehen, und wenn er denn musste, wollte er wenigstens noch irgendwas mit in den Tod reißen. Er schien zu ahnen, dass mir schon damals viel an der Kneipe lag. Er drehte und neigte sich mit der ganzen Wucht, die er in sich barg. Um 45° gedreht, fiel er krachend zu Boden. Seine amputierten Arme verfehlten die Bar nur um Zentimeter, und sein hinterhältiger letzter Wille war nicht aufgegangen. Und wir hatten schweinemäßiges Glück gehabt. Nur zwei Meter weiter, und aus Konnys Hafenkneipe wäre Konnys Hafenplatte geworden.
Als wir das überstanden hatten, konnte im Grunde nichts mehr passieren. Tatsächlich holte ein anderer, viel kleinerer – eine Gurke von Baum, kaum dicker als ein Arm – das nach, was sein großer Bruder um Haaresbreite verfehlt hatte: Er stürzte sich bei einer späteren Baumfällaktion wagemutig auf eine Ecke der Kneipe, konnte aber nicht allzu viel anrichten. Es war spannend und nicht ungefährlich, aber wir, die flüchtig Bekannten, unterwegs auf der Mission „Gästehaus 2“, verbündet für nur wenige Tage, hatten unseren Spaß, und uns verband schneller der Gedanke an ein fertiges Haus direkt am See, als ich es vorher angenommen hatte.
Als die Männer sich zur Abreise fertigmachten, stand das Rohgerippe des Hauses, das Dach hatte eine Dachpappe und war kurz vor der Fertigstellung. Wir hatten nicht nur die Gegend um die künftige Behausung gerodet, sondern auch den Grundstein gelegt, auf den ich nun wunderbar würde aufbauen können.
Eine Zeitlang stand das unfertige Haus dann so da, wie sie es verlassen hatten. Es kamen wieder andere Dinge dazwischen; ich reparierte an unseren Autos herum und hielt den Betrieb von Blankenese aufrecht – und arbeitete weiter, wie die ganze Zeit über, bei Connectra.
Ich vergaß zu erwähnen, woher die Jungs überhaupt kamen: Sie stammten allesamt aus Dithmarschen, und somit war der Name des zweiten Hauses keine drei Silben entfernt.
nde November 2007 baute ich an dem Übergang von dem oberen Teil des Grundstücks zum unteren, wo die steile Steintreppe und für mich damit unser kleines Südfrankreich beginnt, ein Wäschehaus, kaum größer als eine Gerätekammer. Der Ort war ideal. Und das Wäschehaus eine Notwendigkeit für das, was wir fast zeitgleich planten.
Denn die weit größere Entscheidung, die wir vorher getroffen hatten, war die, ins obere Gelände einen großen Trailer zu platzieren, ein Haus, das komplett nach eigenen Vorstellungen geliefert und irgendwo hingestellt werden kann. Ende 2007 hatten wir über ein Jahr getrennt voneinander gewohnt. Auch wenn wir uns natürlich sehr oft sahen, auch zusammen Dinge unternahmen und am Moss Lake arbeiteten, war dieser Schritt notwendig, damit Manu und die Kinder auch endlich zum See ziehen konnten. Es war klar, dass unser neues gemeinsames Heim kein Wohnwagen, wie wir sie in Deutschland kennen, sein durfte, sondern dass ein riesiges Ding hermusste, in dem wir alle genug Platz hatten.
Manu fand für uns einen ewig langen Trailer im
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