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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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entwickelt: Sie nennen
     die relevanten Gegenstände und sie schreiben in ihrer Sprache, das Ergebnis der Untersuchung ist lebendig und nicht durch
     standardisierte Fragen und Skalen abgetötet. Die Form gibt den Jugendlichen eine Stimme und nimmt sie ernst, was auch die
     gute Resonanz der Befragung erklärt.
    Zudem sind Einzelfallanalysen potenziell anschließbar. Abgeschlossen ist eine weitere Auswertung von circa 350 Fragebögen
     aus Wien. Damit wird coolhunters:style zur internationalen Studie und ermöglicht einen länderübergreifenden Vergleich. In
     Vorbereitung ist coolhunters:style 3.0, eine neue Studie für die »inter_cool 3.0. Jugendliche Bild- und Medienwelten«, eine
     Ausstellung im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 mit internationalen Partnerstädten (
twins
) und, damit verbunden, eine Aktualisierung des Fragebogens mit Fragen zum Web 2.0.
    Die Coolhunters-Ausstellung erwies sich auf der Grundlage der Befragung als erfolgreicher Mix aus »Hochkultur« und Jugendkultur.
     In heutigen medialen Welten findet man immer eine, wenn auch unbewusste, Mischung |293| aus Kunst, Alltag, Medien und Konsum. Die Distanz zum eigenen Alltag stand im Vordergrund, vor allem durch die Verfremdungen
     der Kunst und durch Kontextverschiebung von Alltagsobjekten im Museum. Es gab kein konventionelles Leitsystem, sondern das
     Coolguides Konzept, Jugendliche führen Jugendliche (siehe auch coolhunters-DVD, ein Modell, das sich auch in anderen Museen
     verbreitet hat, zum Beispiel Schirn, documenta 12). Die Cool Guides geben Jugendlichen Eigenverantwortung und lassen die Erarbeitung
     der Themen offen.
    Abbildung 2: Ungeplant ausgedehnte interaktive Installation »Liebesgrüße«
    (Quelle: Künstlerhaus Wien)
    Coolness, so stellte sich in der Befragung heraus, hat mehrere Facetten und ein breites Spektrum. Die normalen Jugendlichen
     sind schon, wie im Video auf coolhunters.net, zufrieden, wenn sie im Alltag mit Freunden Bier trinken können. »Real coolness«
     ist aber nicht nur Einpassung in Gesellschaft oder Mitläufertum: Die Befragung zeigt auch, in den noch auszuwertenden Einzelaussagen,
     dass immer noch die kreativen Köpfe am interessantesten |294| sind. Sie macht auch die geringe Prozentzahl der Unangepassten klar. Diejenigen, die eher gestalten und sich entziehen wollen,
     sind sehr wenige. Diese entwickeln im Gegensatz zu den Mainstream-Jugendlichen und stilistischen Mitläufern die widerständigen
     und widerspenstigen Ästhetiken oder regen andere dazu an (siehe Abbildung 2).
    Die coolhunters:style-Studie und daran anschließende Untersuchungen fassen Jugendliche als mediale Useravantgarde auf, wobei
     auch Objekte und Mode als Kommunikationsmedien gelten. »Coole« Jugendliche entsprechen Günther Anders »Divisum«-Begriff (1992)
     im positiven Sinne, da ihre simultane, weil »zerstreute« Wahrnehmung (Benjamin 1977: 41) eine Weiterentwicklung der Sinne
     ist. Die leitenden Handlungsprinzipien der widerspenstigen jugendlichen Stile sind Geschwindigkeit, Ekstase, Rausch und Sinnlosigkeit
     und Aktionen, die gegen Verständlichkeit, Funktionalität und Lesbarkeit gerichtet sind. Entgrenzung und punktueller Kontrollverlust
     stehen im Mittelpunkt und führen gleichzeitig zu immer neuen Modi der Selbst-Beherrschung.
    Jugendstudien beschäftigen sich meist nur peripher mit Ästhetiken und Medien Jugendlicher. Politik- und Bildungsorientierung,
     Arbeit, Werte und Zusammenwirken der Generationen zu erforschen, ist gesellschaftlich erwünscht (vgl. Shell Studie 2006).
     Dabei stellt die »visuelle Intelligenz« ein zentrales Kriterium dar in einer Gesellschaft, die von medialen Bildern durchzogen,
     geprägt und beherrscht wird. Daher gilt es, vorhandene ästhetische Kompetenzen zu erkennen, zu fördern oder aufzubauen: Denn
     die medialen Ästhetiken zeigen fortlaufend, wie »new visual styles« entstehen, die die Mode, Musik und Medien des Web 2.0
     zu einer neuen hybriden Ästhetik kombinieren.
    Literatur
    Anders, Günther (1992),
Die Antiquiertheit des Menschen
, Band I und II, München.
    Benjamin, Walter (1977),
Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
,
Frankfurt/M.
    Bonami, Francesco/Frisa, Maria Luisa/Simons, Ralf (Hg.) (2003),
The fourth Sex:
Adolescent Extremes
, Mailand.
    Breyvogel, Wilfried/Krüger, Heinz-Hermann (1987),
Land der Hoffnung – Land der
Krise, Jugendkulturen im Ruhrgebiet 1900–1987
, Bonn.
    |295| Bucher, Willi/Pohl, Klaus (Hg.) (1986),
Schock und

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