Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Charakter von weithin bekannten Marken mit ihren stilbildenden Zeichen ist allerdings nur ein erster signalisierender
Aufhänger, mit dem |11| eigensinnig oder – vor dem Hintergrund des Guerilla-Begriffs – taktisch gearbeitet wird. Dabei geht es kaum darum, eine Revolution
anzuzetteln. Die Guerilla kann überall agieren, sie wird in kleinen, verstreuten Einheiten aktiv, in unterschiedlichsten Feldern,
nicht nur in Sub- und Alltagskulturen, dem Kunst- und Kulturbetrieb. Gemeinsam ist ihnen die Skepsis gegenüber scheinbar allgemeingültigen
Leitbildern und alternativlos akzeptierten Größen, die uneingeschränkte Gültigkeit beanspruchen und denen sich alle anderen
Faktoren unterzuordnen haben. So ist die Herrschaft des Marktes, für den kommerzielle Verwertbarkeit, also Profit, das höchste
Gut darstellt und mit dem zu einem gewissen Grad immer auch das eigene Leben in Einklang gebracht werden muss, häufig ein
Bezugspunkt. Eine kritische Haltung demgegenüber ist jedoch keine zuverlässige Absicherung: Dem Guerilla-Image wohnt ein eigener,
durchaus auch marktfähiger Charme inne, der daher auch hervorragend als Aufmacher einer Marketingstrategie eingesetzt werden
kann.
Das Buch gliedert die hier skizzierte Thematik in mehrere Teile, welche unterschiedliche Arten des Konsums und des Konsumierens,
sprich die Verschiedenheit von Konsumstilen berücksichtigen. Es bearbeitet Strategien des Hyperkonsums, seine Bilder und Objekte,
die Angebote des Marktes und des Marketings. Dabei werden sowohl die üblichen, systemerhaltenden Handlungsabläufe in der Figur
des Partizipierens am eingängigen Mainstream aufgezeigt, etwa in Online-Videoclips bei YouTube als Vehikel des viralen Marketing
oder in Fankulturen im Zusammenhang mit TV-Serien und Computerspielen, als auch Ambitionen, die das Phänomen Konsum als populäres
und auch probates Mittel der Selbstinszenierung im Rahmen einer distinktionsorientierten Gesellschaft konstruieren. So etwa
im Konsumuniversum Handy, das von individuellen Klingeltönen über Wallpapers und auswechselbare Gehäuseteile bis hin zu »trendigen«
Futteralen und Handyschmuck reicht. Solche Modifikationen berühren bereits das Konzept des Customizing als Angebot individueller
Gestaltung und Veredelung von Massenprodukten nach eigenem Geschmack oder die Wandlung von üblicherweise unspektakulären Objekten
wie Spielzeugen zu exklusiven Designertoys.
Innerhalb des Mainstreammarkts wird ferner Rezeptions- und Transformationsstrategien eines emanzipierten Konsums nachgespürt:
Zum einen in der Figur des Prosumer (Producer/Consumer), also des Verbrauchers, der zugleich in unterschiedlichem Maße und
potenziell eigenschöpferischer Mitproduzent von Gütern ist, als solcher aber wiederum ins Kalkül von Marketing-Strategien
einbezogen wird, gleichzeitig diesen jedoch |12| ablehnend begegnen kann; zum anderen in verschiedenen Formen des Ausdrucks von Alltagskreativität, die sich mit Konsum verbinden
können. Die Verschränkung von Konsum- und Eigenbildern rückt hierbei ebenso ins Blickfeld wie die Eigenheiten der Entwicklungen
im Web 2.0, also mediale Formationen wie Blogs oder populäre Community-, Foto- und Videoplattformen und deren kreative Umwidmung
durch User. Hier zeigen sich Prozesse selbst bestimmter Nutzung ebenso wie das Bestreben, diese kommerzieller Verwertung zugänglich
zu machen.
Einen weiteren thematischen Teil des Bandes bilden subversiver Konsum und Strategien von Subkulturen. Es werden Konsumstile
des Widerstands vorgestellt, wie beispielsweise künstlerische und aktivistische Bewegungen, die ihre Konsumkritik mittels
ästhetischer Eingriffe und häufig im öffentlichen Raum praktizieren. Hier treten die »Konsumbilderstürmer« mit ihren Rezeptions-
und Transformationsstrategien in Erscheinung wie auch die Kunst der Rebellion. Im Spannungsfeld von Kunst und Aktivismus werden
Antikonsumaktionen ebenso wie Strategien zur Aneignung des öffentlichen Raums – etwa Parkour oder Streetart – aufschlussreich
analysiert, sodass darauf aufbauend Typologien und Definitionen subkulturellen Konsums und Aktivismus’ zur Diskussion gestellt
werden können.
Zunächst aber sollen einige derzeit populäre Begrifflichkeiten aus Konsum und Marketing aufgefächert werden, um damit die
gewandelte Position der Konsumierenden aufzuzeigen. Die bereits genannte Figur des Prosumers beispielsweise ist Ausdruck der
Tatsache, dass sich
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