Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Kommunikationsprozesses
auf Folie verschiedener Ebenen von Kultur, die gemeinhin immer noch mit Hochkultur (hier Bayreuth) und Subkultur (hier die
ursprüngliche Kultur- und Kommunikationsguerilla eines einfachen Dagegen) bezeichnet werden. Wie wir gezeigt haben, gibt es
auch in Bayreuth subversive sowie affirmative Prosumer in Kultur, die ganz ähnlich denen der Popkultur zu sein scheinen. Dies
gilt es zukünftig genauer zu beobachten. Der Vergleich soll zu einer Entelitisierung des Hochkulturbegriffs und seiner Akteure
beitragen, einer im affirmativen Sinn Demokratisierung von Hochkultur als Bestandteil der Kultur im Allgemeinen. Es ginge
demnach um eine Neuverortung von Hochkultur, um eine Transformation Darstellender und Bildender Künste. Stattdessen wird Theater
neuerdings und zu Recht wieder eine ästhetische Hermetik attestiert, aus der Macher und Betrachter womöglich gar nicht ausbrechen
wollen. Oper und Galerien sind da schon einen Schritt weiter, schaffen einen systemübergreifenden Anschluss, aber hauptsächlich
in wirtschaftlicher Hinsicht. Bunkermentalität hier, Börsenmentalität dort: Wo die einen in die »Geschwätzigkeitsfalle« (Schaper
2008: 14) tappen, stolzieren die anderen durch die endlichen Weiten der Vermarktung, erleben dort Höhenflug und Bruchlandung.
Eine konstruktive gesellschaftliche und mediale Anbindung der Hochkultur wird vernachlässigt, sogar tabuisiert. Hochkultur
gilt dem Bildungsbürgertum als |283| eines der letzten Refugien unbefleckter Empfängnis. Sie wird domestiziert und verscherbelt – und unserer Guerilla zum Fraß
vorgeworfen. Dabei kann, so haben wir versucht zu zeigen, auch die Hochkultur in Kultur ganz verschiedene Rezeptionen und
Weiterverarbeitungen provozieren und zur Vergesellschaftung beitragen, oder wie es der Kultursoziologe Dirk Baecker (2007:
322f.) formuliert: »Sie [Werke der Kunst in Literatur, Theater, Tanz, Malerei und Plastik, J.v.d.H./C.J.] machen die Gesellschaft
hörbar und lesbar, sichtbar und spürbar; und dazu gehört ebenso viel Kunst wie Kunsthandwerk, ebenso viel Schönes wie Erhabenes,
ebenso viel Kitsch wie Camp, ebenso viel Populäres wie Elitäres.« Es herrscht geschäftiges Treiben auf den Kunstmessen, Eventcharakter
auf Festivals und Restpostenverwaltung in Kulturinstitutionen. Ihre Zubereitung in verdaulichen Häppchen bleibt den aalglatten
TV-trash-tanks –
ttt
(ARD),
aspekte
(ZDF),
Foyer
(3sat) oder
ZDF-nachtstudio
– überlassen. Nachgefragt und angeboten sind schnelle Rezepte für hungrige Gefühle, die so direkt befriedigt sein wollen wie
andere Fast-Food-Bedürfnisse auch.
Je mehr aber die Künste selbst Ware werden, je mehr ihnen das Rituelle abhanden kommt, desto mehr wird ihr Konsum selbst das
Ritual. Je weniger es Theater oder Oper gelingt, den Zuschauer im wahrsten Wortsinn zu verführen und zu fordern – und zwar
Kulturterroristen, Kulturtouristen und Kulturtheoristen – gleichermaßen, umso eher ist er oder sie schon während der Aufführung
wieder bei sich, beim Konsum – beim Buh.
Literatur
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Frankfurt/M.
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De:Bug. Magazin für elektronische
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Holert, Tom (2007), »›Dispell them‹. Anti-Pop und Pop-Philosophie: Ist eine andere Politik des Populären möglich?«, in: Peter
Gente/Peter Weibel (Hg.),
Deleuze
und die Künste
, Frankfurt/M., S. 168–189.
Horst, Jörg van der
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