Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
Vom Netzwerk:
Punk konstatieren, dass selbst Subkulturen, die unter den Vorzeichen einer
     Konsumkritik angetreten sind, nicht außerhalb jener Ökonomien operieren, gegen die sie opponieren: Subkulturen werden nicht
     nur vermarktet, sondern vermarkten sich auch selbst (vgl. hierzu weiterf. Heath/Potter 2005, Düllo/ Liebl 2005 u. Mason 2008).
     Als »Ausverkauf« beziehungsweise »Verrat« an der eigenen Sache muss man das aber nicht auffassen. Zweifellos zählen Märkte
     zu den wirksamsten Kanälen, um in einer Konsumgesellschaft Ästhetiken |109| und Politiken zu verbreiten. Reibungsverluste sind dabei ebenso wenig zu vermeiden wie sich Appropriationen verhindern lassen. 34 Dass mit den derart »verbrauchten« beziehungsweise transformierten Zeichen zugleich die Bedeutungen gänzlich nivelliert würden,
     die sie ursprünglich transportierten, ist im Übrigen keineswegs von vornherein ausgemacht. Mitunter werden diese Botschaften
     weiterhin verbreitet und haben durchaus Chancen, anzukommen. 35
    Letzteres gilt ähnlich allerdings auch umgekehrt: Eine Marke, die mit künstlerischen Mitteln angegangen wird, hat gute Chancen,
     am
radical chic
der entsprechenden Aktionen zu partizipieren – in jedem Fall erhält sie mehr Presse und gewinnt an Aufmerksamkeit (Vgl. Düllo/Liebl
     2005 sowie zur Problematik der Marke auch in diesem Zusammenhang Klein 2000). Dass öffentliche Kritik und zumal solche, die
     im kulturellen Sektor formuliert wird, für einen Konzern tatsächlich schmerzhafte Konsequenzen zeitigen beziehungsweise diesen
     in die Offensive zwingen würde, scheint demgegenüber eher der Ausnahmefall. 36
    Aus naheliegenden Gründen erweisen sich diese Verhältnisse im Spannungsfeld von DIY- und
Prosumer Culture
als besonders brisant. Jedoch nicht allein aus den bereits genannten angeführten Gründen, also mit Blick auf die Appropriation
subkultureller
Ästhetiken und Strategien im Zuge von Guerilla Marketing-Aktionen. Vielmehr gilt es, auch nach den projektimmanenten (Arbeits-)Ökonomien
     zu fragen. Exemplarisch kann dies eine Kampagne belegen, die sich als gemeinschaftlich beziehungsweise im Netzwerk organisierte
     Protestaktion gegen den Sportartikelhersteller Nike formierte – der seinerseits zweifelsohne zu den prominentesten Adressen
     kreativer Kritik gehört, seit sich Jonah Peretti 2001 per
customizing
den Schriftzug »Sweatshop« auf ein Paar Sneaker sticken lassen wollte und die anschließende Kommunikation mit dem Unternehmen
     im Internet öffentlich |110| machte. 37 2004 organisierte Cat Mazza mit ihrem an der Schnittstelle von Kunst und
Craftivism
angesiedelten Projekt
microRevolt
, das zuvor bereits mit verschiedenen Strick-Aktionen gegen Sweatshop-Arbeit in Mode und Bekleidungsindustrie bekannt geworden
     war, die Herstellung einer von weltweit vernetzten AkteurInnen gehäkelten
Nike Petition Blanket
. 38 Dabei dürften die – für sich genommen vielleicht rege, verglichen mit Bürgerbegehren freilich eher bescheidene – Beteiligung
     an der Aktion oder gar die Häkeldecke selbst, die nach einer Ausstellungstournee der Geschäftsführung des Herstellers übergeben
     werden soll, den Konzern kaum beeindrucken. Im Kunstkontext dagegen ist das Projekt dank seiner prominenten Adresse rasch
     zu Bekanntheit gelangt. Doch abgesehen davon, dass es dort allenfalls einen marginalen Anteil der Sportschuh-Kundschaft erreicht,
     ist es – ungeachtet der Partizipationsangebote und der namentlichen Nennung der Beteiligten auf den Projektseiten – unter
     dem Strich die Künstlerin Mazza, die über das Projekt kulturelles Kapital generiert. Unter den Vorzeichen eines kreativen
     DIY-Aktivismus wird hier eine freiwillige Selbstausbeutung praktiziert, die unter wie auch immer privilegierten Konditionen
     partiell das Sweatshop-Prinzip reproduziert.
    Dass die im Feld der Kunst traditionell tolerierte Verquickung von Selbstverwirklichung und Selbstaufopferung in eine Ökonomie
     übersetzt wird, in deren Rahmen Einzelne von der Produktivität eines Kollektivs profitieren, ist freilich nicht nur ein Charakteristikum
     zahlreicher von KünstlerInnen betriebener Projekte, die zur (DIY-)Beteiligung einladen. Vielmehr können auch all jene auf
     sie bauen, die sich die Bereitschaft zum Mittun für ihre Geschäftsideen zunutze machen wollen. Ein Mechanismus, der umso besser
     greift, wenn das Selbermachen als moralische Kompensation des Konsums funktioniert – weshalb es letztlich kaum überrascht,
     dass er in

Weitere Kostenlose Bücher