Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
der
Prosumer Culture
besonders häufig begegnet.
|111| »Kaufen Kaufen, Marsch Marsch!«
Mit dem Fall der klassischen Dichotomie zwischen Produktivität und Konsum finden sich in der
Prosumer Culture
also auch jene Fronten aufgebrochen und Grenzverläufe verwischt, an denen sich Widerständigkeit traditionell orientiert. Vor
diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Strategien zur Verfügung stehen könnten, die dominierenden Ökonomien zu unterlaufen.
Charakteristisch für die Gemengelage scheinen jedenfalls eher Projekte wie das prominente »Ikea Hacking« (vgl. den Beitrag
von Franz Liebl in diesem Band) – für das zunächst einmal jene Produkte erworben werden wollen, die man dann kreativ transformiert. 39 Der Gestus der Kritik fällt dabei mit demjenigen der Hommage zusammen, und ähnlich wie im Bereich der Game-Mods ist es alles
andere als ausgeschlossen, dass der Konzern vom
Redesign-
Eifer der HeimwerkerInnen profitiert. Im Unterschied zum klassischen Recycling – das im Zuge des neuen Bastelkults durchaus
ebenfalls eine Renaissance erfährt – wird hier nämlich dezidiert auf Markenprodukte fokussiert.
Eine alternative Option könnte es freilich sein, die Produktivität demonstrativ in Bahnen zu lenken, wo sie nicht oder nur
schwer im Sinne traditioneller kapitalisierbarer Wertschöpfung aufgefasst und vereinnahmt werden kann.
Ein prominentes Beispiel für eine solche Praxis 40 lässt sich in einem Projekt wie
Knitta, Please!
finden, das mit wortwörtlich bestrickenden Aktionen urbane Räume bespielt beziehungsweise besetzt. Dabei führen liebevoll
umgarnte Geländer, Türklinken, Straßenlaternen und Stoßstangen nicht nur den allenthalben grassierenden Handarbeitsboom ad
absurdum, sondern verschaffen dem Gestus des Widerstands gegen gängige Verwertungsökonomien eine vielfältig adressierbare
Öffentlichkeit, während sie sich zugleich nahezu allen Märkten entziehen. 41
|112| Eine zweite strategische Option führen im Umfeld des
Culture Jamming
42 verortete Projekte vor, die gegenläufig ansetzen und direkt im Zentrum der Märkte operieren, indem sie diese mit manipulierten,
transformierten oder selbst hergestellten Objekten infiltrieren (vgl. Fabo 2007 und den Beitrag von Fabo im vorliegenden Band).
Solches »shopdropping« 43 beziehungsweise »droplifting« 44 lässt sich bewusst auf eine Ökonomie der Gabe ein, indem es dann erfolgreich funktioniert, wenn ein/e KonsumentIn im Glauben,
das begehrte (Marken-)Produkt zu erstehen, tatsächlich ein Kuckucksei erwirbt, das eine alternative Botschaft birgt. Dabei
muss sich die Botschaft keineswegs so direkt vermitteln wie die jener Paris Hilton-CDs, die der prominente
Street Art-
Künstler Banksy umgestaltete und im Anschluss wieder in den Regalen der Shops platzierte. 45 Sie kann durchaus so unauffällig untergebracht werden, dass ihre Entdeckung dem Zufall überlassen bleibt. Entsprechende Manipulationen
lassen sich an den Verpackungen vornehmen, die traditionell als Träger von Konsumanreizen und »Mitteilungen« an die KonsumentInnen
dienen. 46 Die Ware selbst kann teilweise transformiert beziehungsweise »gehackt« werden wie die legendären, dank ausgetauschter »Voice
Box« zu politischen Aktivisten mutierten
Barbie-
und
G.I. Joe-
Puppen, die von der
Barbie Liberation Organization
ins Weihnachtsgeschäft geschmuggelt worden sein sollen. 47 Mitunter wird sie sogar eigens produziert wie die |113| mit weihnachtlich ausstaffierten Konterfeis von Karl Marx, Michail Bakunin und Che Guevara sowie politischen Slogans bedruckten
Season’s Greetings-
T-Shirts des
Center for Tactical Magic
48 oder in Gänze ersetzt wie die von Zoë Sheehan Saldaña in Handarbeit gefertigten eins zu eins Kopien billiger Kleidungsstücke
aus dem Walmart-Store. 49 In allen diesen Fällen lässt sich in der Tat von Strategien einer
Konsumguerilla
sprechen. 50 Einer
Konsumguerilla
zumal, die präzis dort ansetzt, wo die Achillesferse einer
Prosumer Culture
sitzt, welche – anders als es ihr Name suggeriert – mindestens aus der Perspektive der Konzerne lediglich ein Upgrade zur
klassischen Konsumkultur offeriert.
Das produktive Potenzial von DIY bleibt dabei allerdings auf der Seite derer, die sich der Entwicklung und Umsetzung der Projekte
widmen – sich im Übrigen aber für die Verbreitung ihrer Botschaft unisono jener der Märkte anschließen können: »Kaufen Kaufen
Marsch Marsch!« 51
Und das gilt natürlich auch für
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