Kontaktversuche
Andrej und Glas gleich bei der Explosion umkamen.
Ich wagte wirklich kaum, einen Blick auf unser schönes Raumschiff zu werfen – ein Seemann aus alten Zeiten, der sein Schiff nach dem Aufprall auf ein Unterwasserriff vor sich liegen sah, hätte mich sicherlich Verstanden. Ich durfte jedoch nicht länger zögern und zwang mich, aufzustehen und das Raumschiff noch einmal zu betreten.
Im Grunde genommen konnte ich, wenn ich die Elektroinstallation in Ordnung brachte – und das erschien mir möglich –, in der kleinen Pilotenkabine drei bis vier Monate überstehen. Ich durfte allerdings nicht damit rechnen, daß jemand käme, um mich zu retten – eine Expedition zum Triton ist keine so einfache Sache –, zumal das System für die Funk- und Fernsehverbindung mit der Erde zerstört war und ich keinerlei Möglichkeit hatte, der Erde mitzuteilen, daß ich noch lebte. Zufällig erfolgte die Explosion zu einer Zeit, da gerade Sprechverbindung bestand, und höchstwahrscheinlich war ihnen dort unten die Katastrophe nicht entgangen. Mit einem Wort: Ich konnte mein Ende höchstens um ein halbes Jahr hinauszögern. Alle Schäden an der »Euphoria« zu beseitigen war aber einfach unmöglich – dazu fehlte es mir nicht nur an Material, sondern auch an Wissen. Ich hatte Geologie studiert und im zweiten Fach Astrophysik belegt – im allgemeinen für den Kosmos also sehr nützliche Dinge. Von der »Euphoria«, diesem technischen Wunderwerk, verstand ich absolut nichts. Mit Hilfe des Elektronenzentrums wäre es mir zwar gelungen, sie zu steuern, aber wie Sie sich denken können, hatte unser Elektronenhirn die Explosion nicht überstanden.
Ich beschloß, mich in der Pilotenkabine einzuschließen. Meine Stimmung wurde immer gedrückter. Nie zuvor hatte ich an den Tod gedacht – mit sechsunddreißig Jahren kommt einem so etwas selten in den Sinn, besonders wenn man niemand in seiner Umgebung sterben sieht. Man hatte uns den Glauben an unsere Unsterblichkeit eingeflößt, so daß ich jetzt nicht ganz begriff, was mit mir geschah. Um Ala und meinen Sohn machte ich mir ebensowenig Sorgen wie um meinen Vater oder meine Mutter – sie alle würden mich in wenigen Monaten so zurückerhalten, wie ich sie verlassen hatte. Auf der Erde bewahrte man die Kodierungen meiner Zellen und meines Gedächtnisses auf. Für die moderne Genetik und Neurologie wäre es eine Kleinigkeit, in wenigen Tagen ein Geschöpf hervorzubringen, das sich in nichts von dem unterschied, das ich vor dem Abflug gewesen war. Aber das würde dann nicht mehr ich sein. Ich würde hier umkommen, auf diesem unmöglichen Neptunsatelliten Triton, und eben das flößte mir ein nie gekanntes, unbeschreibliches, atavistisches Entsetzen ein… Ja, vor allem atavistisch, zutiefst animalisch war dieses Gefühl, und es tröstete mich nicht im geringsten, daß dort unten, auf der Erde, ein Wesen herumlaufen würde, von dem alle glaubten, es sei Peter Tal, weil es sich durch nichts von mir unterschied. Unter uns gesagt, glaubte ich trotz aller gegenteiligen Beweise tief im Innersten nicht daran, daß es sich nicht von mir unterscheiden würde. Ich bin ich, und niemand kann mich ersetzen!
Das schlimmste war, daß ich hier, auf dem Triton, umkommen würde, ohne die Erde, ohne Ala und die anderen mir teuren Menschen wiederzusehen, ohne all das, was ich begonnen hatte, vollenden zu können. Meine Stimmung war dem Namen unseres Raumschiffs genau entgegengesetzt, und dieses Wort »Euphoria«, das ich gestern noch so liebevoll ausgesprochen hatte, ging mir jetzt mächtig auf die Nerven.
Mir war klar, daß ich vor allem etwas unternehmen mußte, um meine Psyche im Gleichgewicht zu halten. Ich erhob mich aus meinem Sessel, vermied es, durch die Bullaugen einen Blick nach draußen zu werfen, mixte mir einen Cocktail und machte es mir gemütlich. Die Notakkumulatoren sicherten der Kabine für zweiundsiebzig Stunden Strom.
Dann legte ich mich schlafen. Klar war mir nur eins: Ich würde mich nicht kampflos ergeben.
Als ich erwachte, war ich ruhig und hatte einen klaren Kopf. Ich verspürte das Bedürfnis, mich gleich ans Werk zu machen. Um Verkleidung und Hermetisierung des Raumschiffs in Ordnung bringen zu können, mußte ich mich aber zuerst ein wenig mit der entsprechenden Literatur befassen…
Vier Erdentage lang mühte ich mich mit der Elektroinstallation und der Verkleidung ab, während mir die Hermetisierung erst nach einer weiteren Woche gelang. Mehrmals war ich drauf und dran
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