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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Erde zu verfehlen und mit der »Euphoria« direkt zur
Sonne oder ins Nichts zu rasen… Doch von der Orbitalstation
aus erschien die Erde so riesengroß, so blau, so wunderschön… Ich habe einen Doppelgänger. Ob ich das wirklich bin? Wer bin dann aber ich? Ich bin mit Sicherheit ich selbst, da
ich doch zu der Zeit, wo mein Doppelgänger erschaffen wurde,
nichts gespürt habe. Was aber denkt er von sich? Und wenn wir
uns begegnen sollten, wäre er dann mein Sohn oder mein
Bruder… oder wieder ich? Wenn man lange darüber nachdachte, konnte man verrückt werden. Der Doppelgänger ist nur
meine physische Kopie, die meine Familie nicht lange in die
Irre führen kann. Und wenn doch – was macht es schon aus?
Schließlich bin ich ich, der Echte, wieder da!
    »He, Martin!« Mein Ton ließ ihn auffahren. »Was ist eigentlich dabei, daß ihr mich neu geschaffen habt? Ich kehre einfach wieder auf meinen Platz zurück, und der Doppelgänger wird vernichtet! Er wird nicht mehr gebraucht. Ich bin auch überzeugt, daß meine Leute den Unterschied bemerkt haben!«
Martin seufzte zum wer weiß wievielten Mal auf.
    »Das ist alles sehr kompliziert, Peter. Es ist tatsächlich ein unlösbares Problem…«
»Laß endlich das Seufzen, ich bitte dich. Ich weiß gar nicht, was daran so kompliziert sein soll. Ich komme nach höllischen Qualen und einer ganzen Serie technischer Kunststücke aus einer Entfernung von fünf Milliarden Kilometern zurück, und du machst mir angst vor meinem Ebenbild! Es interessiert mich überhaupt nicht!«
»Du hast ja recht. Aber auch er ist ein lebendes Wesen, ein völlig intakter Mensch und, ohne dir ein Kompliment machen zu wollen, ein prima Kerl! Keiner hat das Recht, ihn zu vernichten…«
»Ich habe das Recht! Du mußt doch verstehen, Martin, daß auf der Erde kein Platz für uns beide ist! Deshalb muß er verschwinden – versteckt ihn meinetwegen irgendwo, aber an einem sicheren Ort, damit er dort unten niemals mit gewöhnlichen Menschen zusammentrifft. Du kannst dir doch wohl vorstellen, was passiert, wenn wir nicht nur in einer Stadt zusammen leben, sondern wenn man uns auch nur gleichzeitig in Europa und in Amerika sieht! Früher oder später…«
»Das ist alles klar! Wie ich sehe, Peter, sind wir über den ersten Teil der Frage einer Meinung – auf der Erde ist für euch beide kein Platz!«
»Natürlich nicht!« Martin wollte jedoch auf etwas anderes hinaus.
»Wer von euch aber ist überflüssig? Das ist die verteufelte Schwierigkeit bei der ganzen Sache!«
»Wer überflüssig ist?« Der Gedanke, daß ich das eventuell sein sollte, empörte mich zutiefst. »Kann es einen Zweifel daran geben, daß ich mir einen Platz auf der Erde verdient habe?«
»Sieh mal, Peter, ist es dir nicht wichtig, daß Ala, dein Sohn, deine Mutter, dein Vater, deine Freunde, die Menschen, für die du lebst, glücklich sind und nicht ein Leben lang von Zweifeln gequält werden, wer du bist, wer der Doppelgänger ist, und niemals mehr Ruhe finden…«
»Es gibt nichts, was mir wichtiger wäre…«
»Dann mußt du zurücktreten.«
»So ein Unsinn! Entschuldige, Martin, aber du glaubst doch nicht etwa, daß für Ala die drei Monate, die sie mit diesem Doppelgänger verbracht hat, wichtiger sind als die vierzehn Jahre mit mir? Oder für meine Mutter, für meinen Sohn?«
»Das ist es eben, was du nicht verstehst! Ala war mit dir vierzehn Jahre zusammen, mit ihm aber nicht drei Monate, sondern vierzehn Jahre und drei Monate! Und keine Macht der Welt kann diese drei Monate auslöschen! Sie sind fatal für dich, nicht aber für sie und auch nicht für deinen Sohn und die anderen – der Doppelgänger ist schon nicht mehr nur irgendein Doppelgänger, sondern ein selbständiger Mensch, der Gatte, der Vater, der Sohn, der Freund und Kollege dieser Menschen, für die auch du es einmal warst. Aber er ist schon nicht mehr wie du, er ist all das mehr als du, er ist dir um drei Monate voraus, und du kannst ihm diese fatalen sechsundachtzig Tage nicht nehmen… Du kommst zu spät, Peter – es ist schrecklich, aber es ist so.«
Irgendeine Melodie, ein trauriger Blues aus den Jahren, in denen ich Ala noch nicht gekannt hatte, ging mir aufdringlich im Kopf herum. Woher kam sie nur… woher? Etwas lag in Martins Worten verborgen.
»Mein Gott. Er hat sich so entwickelt, wie ich mich entwikkelt hätte, wenn ich nicht fortgeflogen wäre – ist so etwas möglich, ist es möglich, daß wir einander völlig gleich sind?«
»Ja, vor drei

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