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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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in der Basis
die Meinung zu sagen. Schufen Doppelgänger des Menschen und
kümmerten sich keinen Deut darum, was diese Doppelgänger
dachten! Versuchsserie, experimentelle Erprobung… Unsinn! Wenn
sie erst zurück wären, würde er wissen, wem er was zu
sagen hätte, und nicht umsonst war er bekannt dafür,
daß er kein Blatt vor den Mund nahm. Vorerst jedoch schwieg er
besser.
Färn erhob sich aus dem Sessel, und während die Rakete
langsam niederging, setzte er den Helm auf. Dann schaute er
gewohnheitsmäßig auf die Signalleiste seines Skaphanders. Er
hatte nicht viel Sauerstoff, aber es würde reichen. Und er
würde auch keinen brauchen – im Geländefahrzeug befand
sich ein ausreichender Vorrat.
Als eine leichte Erschütterung die Landung der Rakete anzeigte,
saßen Färn und Ariel bereits im Geländefahrzeug. Die
Luke öffnete sich lautlos, und das massige Fahrzeug rollte aus der
Rakete. Die rote Sonne sank unter den Horizont, und die langen, spitzen
Schatten der Felsen breiteten sich über das Plateau aus. Doch
Färn hatte jetzt nicht viel Zeit, sich umzusehen, denn in einer
Stunde würde die zweite Sonne der Tamira aufgehen, ein blauer
Riese, vor dessen tödlichen Strahlen es nur einen sicheren Schutz
gab: die Panzerwände der Rakete. Alles war gut kalkuliert; sie
würden rechtzeitig zurück sein.
Am Rande des Großen Canons hielt Ariel das Fahrzeug an. Als der
Anthropoid ausgestiegen war, reichte ihm Färn die zusammengelegte
Rolleiter hinaus, dann verließ er selbst das Fahrzeug. Ariel nahm
die Probensonde, klinkte die Enden der stählernen
Sicherheitstrosse an seinem Gürtel ein und begann den Abstieg. Das
war alles – Färn brauchte nur noch die Stereokamera an
seinem Helm auf ihn zu richten und die bedrohliche Wildheit des
Großen Canons zu bestaunen.
Es war deprimierend. Färn schaute und versuchte zu begreifen,
warum es eigentlich deprimierend war. Und er begriff. Selbst die
unwirtlichsten Canons der Erde bargen einen Sinn, ihre Wildheit
enthielt eine Logik, die der Mensch verstand, ob er sie nun billigte
oder nicht Wasser, Erdrisse, Schichtverwerfungen – das alles
mochte von unvorstellbarem Ausmaß sein, es paßte doch in
die menschliche Begriffswelt. Hier aber gab es keine Logik.
Rasierklingenscharfe Grate fielen fast gerade ab und verschwanden.
Unten war einfach nichts – nur der schwarze Raum. Doch
unmittelbar daneben war die Felsspalte relativ flach und mündete
in einem Gewirr anderer Spalten.
Irgendwo in der Tiefe blubberte die Lava. Ihr roter Widerschein spielte
auf den Felszacken gegenüber, und es war nicht auszumachen, woher
dieses blutige Licht kam – von der untergehenden Sonne oder aus
dem Abgrund.
Hier sollte Ariel die Probe entnehmen. Er hatte die Rolleiter in Gang
gesetzt und ließ sich vorsichtig auf ihr herab. Färn
überlegte sich, daß er nicht gern an Ariels Stelle
wäre. Ja, wenn nötig, würde auch er das tun, aber er
wäre nicht gern an seiner Stelle.
Und da geschah, wie immer unerwartet, das Unglück. Irgendwo auf
halbem Wege zerbrach die Rolleiter. Ariel fiel, die Stahltrosse spannte
sich, hielt ihn, und er hing in dem Abgrund, mit Armen und Beinen
fuchtelnd wie ein großes Insekt. Im ersten Moment war Färn
keiner Reaktion fähig. Das konnte nicht sein! Das war nicht wahr!
Doch sofort bekam er sich wieder in die Gewalt. Dort unten hing Ariel
und versuchte vergeblich, die letzte Sprosse der Rolleiter neben ihm zu
erreichen. Das Unglaubliche war geschehen.
Es blieb keine Zeit zum Überlegen. Fast instinktiv schätzte
Färn die Situation ein. Ariel war verurteilt; die Sicherungstrosse
ließ sich nur mit Hilfe der Rolleiter einholen. Wer hatte
bloß dieses verfluchte System erfunden! Es blieb nur noch eins:
die Reserve-Rolleiter im Geländefahrzeug.
Färn zwängte sich durch die Luke ins Fahrzeug und sah sich
fieberhaft um. Mein Gott, was für ein Idiot bin ich! dachte er.
Die Aufgabe ist mir so leicht vorgekommen, daß ich keine zweite
Rolleiter mitgenommen habe.
Kalter Schweiß brach ihm aus. Schwer atmend kletterte er wieder
nach draußen. Er mußte eine Entscheidung treffen. Dort
unten hing Ariel an der Trosse. Allein konnte er die Rolleiter nicht
erreichen. So pendelte er im Abgrund, vom blutroten Schein der Lava
überflutet. Er bewegte sich nicht mehr, wie ein Verurteilter, der
sein Los begriffen und sich damit abgefunden hat.
Und eigentlich – was ging es ihn an. Er, Färn, war nur der
Begleiter. Ariel hatte den Auftrag erhalten und alles voraussehen
müssen. Er

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