Kontaktversuche
nicht von diesem kleinen, mit glänzendem Rauhreif überzogenen Stück Haut wenden. Das war das einzige, was mir sagte, daß ich nicht den lebendigen, munteren Ronni vor mir hatte, sondern einen glashartgefrorenen Leichnam. In diesem Moment aber beeindruckte mich sein Tod nicht allzusehr, da ein Gedanke alle anderen aus meinem Gehirn verdrängte: Mit wem hatte ich gesprochen?
Zu meiner Überraschung sah ich die Lämpchen auf dem Pult leuchten. Der Computer war noch in Betrieb! Mir kam eine Vermutung, und alles in mir verkrampfte sich. Mit unsicherer Stimme rief ich: »Ronni!« Er meldete sich fast im selben Augenblick. »Ja, André… Ich hoffe, du bist schon im Bilde. In dem Moment, da mein Gehirn, durch das Vakuum blitzartig vereist, starb, wurden seine Biopotentiale durch den Helm auf den Computer übertragen. Das wenige, das von mir übrig ist, befindet sich also im Computer. Ich hoffe, du besitzt genügend Mumm, um mich abzuschalten, André. Wir wollen uns als Freunde trennen.«
Mir war nun bereits beinahe alles klar, eines aber mußte ich noch erfahren. Ich wußte, wie egoistisch mein Verhalten war, konnte mir jedoch nicht die Frage versagen: »Und alles andere… Ronni, was du mir vorhin erzählt hast? Ist davon etwas wahr?« – »Nein, André! Du weißt, daß ich mich seit langem mit Psychogeschichte befasse, und es bereitete mir keine Schwierigkeiten, das Modell einer solchen Situation zu konstruieren. Du warst in Schockapathie verfallen. André, und für mich gab es keine andere Möglichkeit, dich aus diesem Zustand zu reißen und deinen Widerstand zu wecken. Nur gut, daß deine atavistischen Instinkte ansprachen… Jetzt aber schalte mich ab, André. Du weißt, daß ich meinen Körper zu sehr liebe, um ohne ihn leben zu können. Mach schon, André!«
Seine Worte, denen der Computer ihre Klangfarbe nahm, schallten monoton aus dem Helm und übten eine hypnotische Wirkung auf mich aus. Gehorsam stand ich auf und drückte mit dem Gefühl, das einzig Richtige zu tun, die für das Löschen der Gedächtnisblöcke bestimmte Taste. Völlige Gleichgültigkeit hatte sich meiner bemächtigt – offensichtlich waren in mir nun auch die letzten Sicherungen durchgebrannt. Wie ein Automat begab ich mich zu dem Lager mit den Sauerstoffballons und wechselte meine bereits völlig geleerten Behälter aus. Was mich dazu trieb, war ein verborgener Winkel meines Bewußtseins, der vielleicht als einziger an dem Gedanken festhielt, daß es sich lohnte weiterzuleben. Danach setzte ich mich mitten zwischen Ronnis zerstreute Sachen auf den Fußboden und heftete meinen leeren Blick auf den grünen Band, dessen aufgeschlagene Seiten hilflos schimmerten. So fanden mich dann die Jungs vom Havariekommando…
Das ist alles. Und weißt du, Kweti, in letzter Zeit stelle ich mir immer wieder ein und dieselbe Frage: War mein Leben es wert, um diesen Preis gerettet zu werden?
Nedjalka Michowa
Im Sturm
»Ich werde mich um Exaktheit bemühen. Soviel ich weiß, Doktor, wollen Sie mehr meinen psychischen Zustand als das Ereignis selbst beurteilen. Mir ist ebensogut bekannt, daß Sie an seiner Authentizität zweifeln. Okay. Stellen Sie also Ihre Fragen.«
Anton preßte die Lippen zusammen und sah seinen Gesprächspartner an. Die Unterhaltung versprach, nicht gerade einen angenehmen Verlauf zu nehmen.
»Geben Sie bitte eine kurze Beschreibung von Ihrem Leben hier auf der Aqua.«
»Meines Erachtens haben Sie bereits eine gewisse Vorstellung von dem Planeten gewonnen.«
»Das schon, aber ich würde gern alles von Ihnen erfahren.«
Ein Verhör, dachte Anton voller Feindseligkeit.
»Die Aqua wurde vor rund einhundert Jahren entdeckt, ist aber erst seit kurzem planmäßiges Forschungsobjekt. Eine ununterbrochene Wasserschicht von durchschnittlich zwanzigtausend Meter Tiefe bedeckt die Oberfläche des Planeten. Die Zusammensetzung des Wassers und des festen Kernes…«
»Sie brauchen nicht so detailliert und trocken zu referieren. Mir wäre lieber, Sie würden ausführlich erzählen, wie Sie und Ihre Kameraden hier leben und womit Sie sich befassen.«
»Die schwimmende Station haben Sie ja kennengelernt. Womit wir uns befassen? Die Hälfte aller Expeditionsmitglieder führt biologische Untersuchungen durch, es existiert noch eine zweite Station unter Wasser. Wenn Sie wollen, zeige ich sie Ihnen.«
Für einen winzigen Augenblick flackerte listig ein Flämmchen in Antons Augen. Falls du dich traust, fügte er im stillen hinzu, mit einem Menschen zu
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