Kontaktversuche
gewesen und die Zeit für eine Entlarvung längst herangereift… In all den Jahren bin ich immer wieder zu dieser Erinnerung zurückgekehrt und neige heute zu einer anderen Erklärung. Die Situation, in der ich mich befand, meine Verzweiflung und diese ungeheuerliche Neuigkeit führten letztlich dazu, daß in mir eine moralische Sicherung durchbrannte und ich fähig war, an alles zu glauben. Das sollte sich bald zeigen. Ronni war für einen Moment verstummt, als wollte er mir die Möglichkeit geben, mich zu fassen. Dann setzte er wieder zum Sprechen an: »Das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit, André. Da ich nun einmal davon angefangen habe, sollst du auch alles erfahren. Renata hatte nie etwas für mich übrig. Sie betrachtete mich immer nur als zweckmäßige Ergänzung deiner Persönlichkeit. Ich aber bin wohl so veranlagt, daß mich alles, was dir gehört, leidenschaftlich anzieht. Mit einem Wort: Ich habe Renata auf nicht ganz natürliche Weise für mich gewonnen. Erinnerst du dich, daß ich schon in der Schule hypnotische Fähigkeiten besaß? Wir drei haben oft zusammen gegessen… Ein paar Halluzinogene in ihrer Suppe machten sie für meine Einflüsterungen empfänglich… Nach einigen Séancen war sie davon überzeugt, bis über beide Ohren in mich verliebt zu sein. Ich hatte sie meinem Willen so vollständig unterworfen, daß ich unsere Beziehungen geheimhalten konnte. Renata ist eine kluge Frau, André. Sie versuchte nicht, ihre Gefühle zu analysieren, da sie weiß, daß die Liebe ihrem Wesen nach unlogisch ist. Vielleicht hätte sie dir alles bekannt, wenn sie nicht so unter meiner Kontrolle gewesen wäre…«
Ich hörte nichts mehr. Ich sah nichts mehr. Ich raste vor Wut. Nicht umsonst hieß es bei den Alten: Nimm einem den Glauben an die Menschen, und er verwandelt sich in ein wildes Tier. Ich wollte hundert Dinge auf einmal herausschreien, doch meiner Kehle entrang sich nur ein unartikuliertes Brüllen. Dieser Laut weckte mich aus der Erstarrung. In blinder Wut tastete ich mit den Händen über die auf dem Boden verstreuten Gegenstände, bekam etwas Schweres und Handliches zu fassen und schlug damit auf die Metallplastplatte ein. Plötzlich wurde ich mit Erstaunen gewahr, daß das, was ich da in der Hand hielt, nichts anderes war als ein Schweißbrenner. Ein Brenner! Meinem Tastsinn noch immer keinen rechten Glauben schenkend, setzte ich den Brenner mit zitternden Fingern in Gang, und ein heller Strahl glitt über die Platte. Diese gab ein Zischen von sich und wölbte sich leicht auf. Ich war frei, aber das interessierte mich nicht mehr. Ich hatte mich in einen einzigen großen, angespannten Muskel verwandelt, der nur ein Ziel kannte: zuzuschlagen! Jene menschenähnliche Kreatur zu vernichten, die sich hinter der Trennwand befand und nicht das Recht hatte, die Welt mit ihrer Existenz zu beschmutzen. Ich schleuderte den Brenner beiseite und war mit einem Satz an der Durchgangstür. Ohne mir bewußt zu machen, daß ich Ronni damit im Grunde genommen schon tötete, stieß ich die Tür auf und drang ins Informarium ein. Bevor ich aber noch die Havariebeleuchtung berührte, blitzte in mir ein Gedanke auf. Die Tür! Sie hatte sich ohne jeden Widerstand der automatischen Blockierung öffnen lassen! Und gegen meine Brust war kein Luftstrom geprallt. Demnach herrschte im Informarium dasselbe Vakuum wie in meiner Hälfte. Ich richtete den Blick zur Decke, und die dort sichtbaren Bruchstücke des Sternenhimmels machten mir klar, daß der Meteorit auch hier gewütet hatte. Ronni aber trug keinen Raumanzug! Mit wem hatte ich dann gesprochen?
Plötzlich bekam ich keine Luft mehr, obwohl das Manometer noch eine Reserve für zwei Minuten anzeigte. Mit unsicherer Hand drehte ich am Schalter der Havariebeleuchtung. Dann blickte ich mich um. Vor mir stand der Schrank mit Ronnis persönlicher Habe. Seine Tür war zersplittert, und auf dem Boden lag ein Haufen herausgefallener Sachen. Obenauf schimmerte matt der Band »Psychologie der komplizierten Persönlichkeit«. Mit einem irren Blick starrte ich auf den grünen Einband und war nicht imstande, den Kopf nach rechts zu wenden, weil ich wußte, welcher Anblick mich dort erwartete.
Trotzdem drehte ich mich schließlich um. Zerstörungen sah man in diesem Teil nicht. Alles war wie immer – das vertraute Computerpult und Ronnis muskulöse Gestalt mit dem Helm auf dem Kopf. Der Helm ließ nur einen rechteckigen Ausschnitt seines Nackens frei, und ich konnte den Blick
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