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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Wasserleiche nach oben gespült zu werden. Wie Sie sehen, habe ich nicht vergessen, in allerletzter Minute gerettet worden zu sein. Am besten, ich springe mit einer Last ins Wasser und werfe sie dann, sagen wir, nach fünfundzwanzig bis dreißig Metern, ab. Gedacht; getan. Ich wartete, bis die Terrasse der Station menschenleer war, und stellte mich mit Bogdans Hanteln in der Hand am Wasser auf. Ich mußte mich genau darauf einstellen, die Last nicht zu früh oder zu spät loszulassen.«
Anton sah den Doktor an. Der lauschte gespannt, leicht vorgebeugt, auf seinem Gesicht war Verständnis zu lesen. Anton spürte scheue Freude: Vielleicht glaubte man ihm jetzt? Die betont aufmerksame Haltung der Kameraden in der letzten Zeit empfand er einfach als Kränkung.
»Ich holte Luft, einmal, zweimal. Ehrlich gesagt, meine Lust zu springen war nicht allzu groß, doch ich sah keine andere Möglichkeit. Der Tod eines Menschen war das einzige, was sie anlocken konnte. Der dumme Gedanke, die Hanteln würden verlorengehen, kreiste in meinem Kopf. Ich durfte nicht zögern, jeden Augenblick konnte jemand kommen. Ich zwang mich, überwand mich, einen Schritt vorwärts zu machen und in die transparente Unendlichkeit einzutauchen. Das Wasser stieg unwahrscheinlich schnell. Ein Wasserschlei huschte an meinem Gesicht vorüber. Im stillen begann ich langsam zu zählen, und als die vorher berechnete Zahl erreicht war, ließ ich die Hanteln los. Dennoch wußte ich nicht mit Sicherheit, in welcher Tiefe ich mich befand. Ich spürte den Druck in meinen Ohren. Geraume Zeit wartete ich, kämpfte mit mir, die Luft anzuhalten, schließlich sprudelte sie nach oben. Den Schmerz in der Brust und das Würgegefühl brauche ich Ihnen nicht zu beschreiben, nicht wahr? Ich hielt nicht durch und schwamm mit kräftigen, aber unregelmäßigen Stößen nach oben. In letzter Minute bemerkte ich ganz nahe etwas Dunkles und Riesenhaftes, das mich aufnahm.«
»Das Unterwasserboot?«
»Genau. Das hatte zum Mißlingen des Experimentes geführt. Im letzten Moment hatte Knut meinen Sprung gesehen und sich sofort in das zweisitzige Unterwasserboot, das zum Fang von Musterexemplaren benutzt wird, geschwungen. Ich kam im Boot zu mir, in seiner Gegenwart. Eigentlich hätte ich ihm dankbar sein müssen, doch…«
»Ich verstehe. Haben Sie die Absicht, noch ähnliche Versuche zu unternehmen?«
»Ich möchte meinen Kameraden keine Sorgen mehr machen.«
»Sie haben recht. Gut. Der Zwischenfall ist erledigt. Machen Sie sich keine Gedanken, daß jemand darauf bestehen könnte, Sie zur Erde zurückzubeordern. Und vergessen Sie nicht Ihr Versprechen, mich zur Unterwasserstation zu begleiten.«
Anton atmete tief durch. Die Nachricht, auf der Aqua bleiben zu dürfen, war wunderbar. Der Arzt schien ihm ebenfalls wunderbar. Er hatte den Wunsch, ihm alles bis zum Schluß mitzuteilen.
»Das Problem des Kontaktes ist immer äußerst kompliziert, im konkreten Falle wäre es durchaus zu verwirklichen gewesen. Wissen Sie, was das einzige Hindernis ist, das mir unüberwindbar zu sein scheint? Wir nehmen nur das wahr, was auf unsere Sinne einwirkt. Im Prinzip kann nur das wahrgenommen werden, was Wechselwirkung erreicht. Tatsächlich sind Existierendes und Wechselwirkendes Synonyme für uns. Und wenn es nun etwas gibt, das nicht in Wechselbeziehung zu uns und dem mit uns Verbundenen steht, das ein eigenes System von Wechselbeziehungen bildet und folglich nur für sich existiert? Als würden im selben Raum und zur selben Zeit einander durchdringende Welten ohne Übergänge dazwischen existieren? Ja, und hier haben die anderen nun meinetwegen jene Insel errichtet. Also ist der Kontakt doch nicht ganz so problematisch.«
Der Doktor lächelte ihm fröhlich zu.
»Und wenn der Grund des Planeten öd und brach ist und im Wasser und in der Luft nur die betulichen, unverständigen Schleie kreuzen?«
»Gerade deshalb bin ich ungeduldig. Glauben Sie mir, ich kann einfach nicht warten, bis wir zum Aquagrund tauchen.«
Pawel Weshinow
An einem Herbsttag auf der Chaussee
    Der weiße Stuhl hatte keine Lehne, mein ganzer Rücken war steif. Ich saß nun schon über eine Stunde hier, und kein einziges Mal hatte er sich in seinem schmalen Bett bewegt. Vielleicht waren deshalb seine Laken so glatt, als läge kein lebender Mensch, sondern ein Toter darauf.
    »Es gibt keinen Sinn«, sagte er, »es gibt nicht den geringsten Sinn in dieser ganzen Geschichte…«
Ich wollte ihm widersprechen, merkte jedoch, daß ich

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