Kontaktversuche
für die Aussaat unerläßlich ist. Und wie steht nun Elena dazu? Als sie morgens aus dem Haus tritt und der Wind ihr ins Gesicht weht, erscheinen in ihrem Kopf merkwürdige Gedanken von Küssen, Fingern, Händen… Sie lächelt und holt tief Luft, sie möchte rennen, möchte irgendeinem Unbekannten begegnen – und all das nur, weil die Luftmassen sich vom Hoch zum Tief bewegen. Ein paar Monate später begegnet sie in ähnlicher, von anderen Ursachen – goldenes Licht des Sonnenuntergangs, abendliche Silhouette des Gebirges – hervorgerufener Gemütsverfassung N 3.
Was kann ein dummes Mädchen eigentlich für eine Gefahr sein? Ich sah auch keine Gefahr in den Bildern, die Sie selbst in dem Chaos im Kopf von N 3 gesehen haben. Sie waren übrigens recht unklar, und er vernebelte sie in einem fort, versuchte, ihre wirkliche Bedeutung zu verbergen. Aber es gibt noch ein anderes, Ihnen unbekanntes Bild. Daraus hätte ich wahrscheinlich erkennen müssen, daß die Unterschätzung einer neuentdeckten Welt immer gefährlich ist.
Im selben Haus wohnt ein Stockwerk tiefer ein Schriftsteller. Ein alter, würde ich sagen, schon verkalkt, mit zitternden Händen, aber Kinderaugen. Er lebt so vor sich hin, die Leute lesen seine Bücher, denken aber irgendwie nicht daran, sich zu fragen, ob dieser Mensch noch am Leben ist oder nicht.
Elena ist ein sportlicher Typ – Sie haben sich an ihrer Figur davon überzeugen können –, aber der Sport interessiert sie wenig. Dennoch las sie eines Tages aus Anlaß eines bevorstehenden Spiels in der Zeitung eine Meldung über den Gesundheitszustand eines bekannten Fußballspielers. Eine Knieverletzung… Am Tag darauf ein neues Bulletin, Interview mit dem Arzt, einem Ausländer vom anderen Teil des Planeten. Am dritten eine kurze Beschreibung, wie sich der Fußballer fühlt, ein kleiner Streit, inwiefern es angebracht sei, daß ihn ein Ausländer behandelt. Und da zerriß Elena die Zeitung und ging nach der Schule in die Redaktion, direkt zum Chefredakteur – für sie ist das nicht schwierig, einer schönen Frau will jeder gern gefällig sein.
›Entschuldigen Sie, Genosse Weltschew‹, sagt sie erregt, ›ich habe in Ihrer Zeitung von Kralews Gesundheitszustand gelesen. Können Sie mir etwas Genaueres sagen?‹
Weltschew fühlt sich geschmeichelt, er will ihr nicht nur gefällig sein, sondern ihr auch gefallen.
›Das Wichtigste!‹ sagt er. ›Er wird spielen! Er wird spielen!‹
›Und jetzt möchte ich Sie fragen, ob Sie etwas über den Gesundheitszustand von Kiril Angelow wissen.‹
›Von wem?‹
›Von Kiril Angelow! Erinnern Sie sich nicht mehr an das Lesebuch aus der ersten Klasse? Ein junger, hübscher Mensch mit einem Schnurrbärtchen… Von wem haben Sie Bulgarisch gelernt, Genosse Weltschew, erinnern Sie sich nicht mehr?‹
›So warten Sie doch, er…‹
›Was Sie jetzt unwillkürlich denken, will ich übergehen… Ich weiß, Sie sind beschäftigt, ich nehme Ihnen noch zwei Minuten weg. Ich habe nichts gegen Ihren Kralew, es heißt, es soll sogar ein sympathischer Kerl sein. Aber warum haben Sie den Menschen vergessen, von dem Sie die Sprache gelernt haben, in der Sie jetzt über Kralew schreiben? Und hat er Sie bloß die Sprache gelehrt? Das wollte ich Sie fragen… Entschuldigen Sie!‹
Trotz Elenas Schönheit ist der Chefredakteur wütend. Dieser Mann legt Wert darauf, respektiert zu werden. Er ist es nicht gewohnt, daß man so mit ihm spricht. Immer sitzt er in der ersten Reihe, weil die Filmkameras die anderen Reihen für gewöhnlich nicht erfassen… Nie grüßt er als erster, er ist nachtragend und hat es gern, daß man ihm schmeichelt… Doch auf dem Nachhauseweg geht etwas Merkwürdiges mit ihm vor. An das Mädchen denkt er jetzt schon ohne Zorn. Er erinnert sich an den Schriftsteller, und mit der Erinnerung entstehen in ihm Bilder von ährenschweren Feldern, von Lerchen, er nimmt den Geruch reifen Getreides wahr und sieht eine Mondsichel, das nasse Hemd klebt an seinem müden Rücken, seine bloßen Füße versinken im warmen Staub des Weges… Jetzt ist er ein guter Mensch, so gut, daß er nur den Kopf schütteln würde, wenn man ihm vorschlüge, sich vor die teilnahmslosen Augen der Fernsehkameras zu setzen. Sein Herz ist voll Dankbarkeit für den alten Schriftsteller, in ihm reift der Entschluß, ihn gleich morgen aufzusuchen, obwohl er nicht weiß, wo er wohnt, und er längst vergessen hat, wie er aussieht.
Ich muß bemerken, daß das Vorgehen des Mädchens auch
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