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Kontrollpunkt

Kontrollpunkt

Titel: Kontrollpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Albahari
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verwundet, der eine leicht, der andere würde, wie der mit der Pflege der Verwundeten beauftragte Soldat stammelnd hervorbrachte, die bevorstehende Nacht wahrscheinlich nicht überleben, die sich mittlerweile auf die Soldaten herabsenkte, während Feuchtigkeit in ihre Knochen kroch. Allerseits hörte man Rufe, und der Kommandant, mit der Pistole in der Hand herbeigeeilt, sah Mladen aus dem Wald herauskommen. Dieser rief den Soldaten zu, sie sollten nicht schießen, und hob die Hände hoch, in denen er etwas hielt. Erst als Mladen näher kam, begriff der Kommandant, was er trug: zwei Männerköpfe, aus deren durchgeschnittenen Kehlen noch Blut tropfte. So ähnlich, dachte der Kommandant, während er beobachtete, wie sich die Soldaten neugierig um Mladen und seine Trophäen scharten, drängten sich einst Soldaten um die ersten ermordeten Schwarzen und Indianer. Laut Dienstvorschrift müsste er jetzt Mladen wegen unnötiger und sadistischer Misshandlung feindlicher Soldaten bestrafen. Er wusste nicht, wer das formuliert hatte, wahrscheinlich stand das in der Genfer Konvention. Aber wen kümmerte schon die Genfer Konvention, und konnte er denn überhaupt den therapeutischen Nutzen von Mladens Tat bestreiten, da es offensichtlich war, dass die abgeschnittenen feindlichen Köpfe auf die Soldaten, die durch die Hölle der Bombardierung gegangen waren, eine positive Wirkung hatten. Einige warfen einander schon fröhlich einen bärtigen Kopf zu (das Gesicht des anderen Kopfes war ordentlich rasiert, bis auf einen dichten Schnurrbart) und lachten, wenn Blut auf ihre Stirn oder Wangen spritzte. Dann trat jemand gegen diesen Kopf, und die Jubelschreie der Soldaten steigerten sich fast ins Unerträgliche. Mladen drehte sich um, sah den Kommandanten, wischte sich die Hände an der Hose ab, ging auf ihn zu, salutierte und sagte: Der Soldat Mladen Sova bittet, den Kommandanten sprechen zu dürfen, worauf der Kommandant bemerkte: Lass doch den Scheiß. Setz dich lieber hin und sage, was es Neues im Wald gab und ob du für ein Gläschen Schnaps bist? Mladen setzte sich und fragte: Nur eins? Auch zwei, sagte der Kommandant, für dich dürfen es auch zwei sein. Das erste trank Mladen in einem Zug aus, leckte sich die Lippen, schnalzte mit der Zunge und berichtete, dass sich im Wald Angehörige von mindestens drei Armeen tummelten und dass es bestimmt noch weitere gebe. Die einen trügen unsere Uniformen, aber ob es tatsächlich Unsrige seien, habe er nicht feststellen können. Er sei nahe genug an sie herangekommen, aber sie hätten sich ohne Worte, nur mit Mimik und Gesten verständigt. Er fletschte die Zähne, streckte die Zunge raus, rollte mit den Augen und verschränkte die Arme. Damit geben sie zu verstehen, sagte er, dass sie sich hinsetzen wollen. Und wenn sie aufstehen wollen, fragte der Kommandant, was tun sie dann? Mladen fletschte wieder die Zähne, streckte die Zunge raus, rollte mit den Augen und spuckte. Sieh mal einer an, sagte der Kommandant, das ist äußerst interessant. Er spuckte in die gleiche Richtung wie Mladen, verfehlte aber dessen Spucke und traf stattdessen einen Grashalm, an dem gerade ein Marienkäfer hochkrabbelte. Danach sagte er, die Männer in unseren Uniformen seien ganz bestimmt keine Unsrigen, sonst hätten sie längst miteinander geredet. Schließlich sei die Unfähigkeit unserer Landsleute, sich zusammenzureißen und in Situationen, in denen Stille die Voraussetzung für jede Aktion ist, den Mund zu halten, hinreichend bekannt. Ich habe den Eindruck, sagte Mladen, dass die Soldaten aus allen drei Armeen tun und lassen dürfen, was sie wollen. Die Häuser, die sie früher gesehen hätten, hätten jetzt gebrannt, und man stoße immer öfter auf tote Zivilisten und Haustiere. Der Kommandant meinte, das habe er nie verstehen können: Einen Mann oder selbst eine Frau zu töten, könne man noch hinnehmen, aber es gehe ihm nicht in den Kopf, wie man ein Kind oder eine Kuh umbringen könne. Und wenn er schon den Kopf erwähne, wem gehörten die beiden Köpfe, mit denen sich die Soldaten so toll amüsierten? Mladen wusste es nicht. Er sei am Ende des Wegs auf die beiden Männer gestoßen, habe sogar vorgehabt, friedlich an ihnen vorbeizugehen, aber sie hätten den Fehler begangen, ihre Gewehre auf ihn zu richten, und würden nun nie mehr Fehler machen können. Lächelnd stand er vor dem Kommandanten, mit den Wimpern klimpernd wie eine Braut, die gleich ihren künftigen Mann kennenlernen wird. Inzwischen war

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