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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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besprechen, die er dem Chef des Ermittlers, diesem hessischen Polizeivizepräsidenten, vorgeschlagen hatte. Eine lächerliche Idee, aber dieser Hoven war ein äußerst dankbarer und begeisterungsfähiger Kunde, nicht so wie diese krisengeschädigten Zauderer in den Managementebenen der Unternehmen, die sich kaum noch trauten, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Er hatte Hoven erfolgreich ein Konzept für eine komplette Umstrukturierung des Präsidiums angedient, von Synergieeffekten durch effizientere Abläufe geschwafelt und von kompromisslosem Client Focus und Erfolg durch Cross Selling. Das übliche Consulting-Sprech, mit dem man immer noch einige Hinterwäldler beeindrucken konnte.
    Hoffentlich kam dieser Kommissar pünktlich. Weiler hatte das Büro an dieser repräsentativen Adresse an der Frankfurter Taunusanlage nur für zwei Stunden gemietet. Wenn er den Ermittler nach der Besprechung nicht rechtzeitig wieder hinauskomplimentierte, stünde die Mitarbeiterin des Business Centers schon mit dem Nachmieter in der Tür. Eine unangenehme Situation, die es zu vermeiden galt.
    Für den unbedarften Außenstehenden wirkte die Selbstdarstellung von André Weilers ›PCC – Public Consulting Company‹ beeindruckend, vielleicht sogar Ehrfurcht gebietend. Ein professioneller Internetauftritt, der in zeitgemäßem, anglizismengeschwängerten Businessdeutsch Kernkompetenzen, Arbeitsfelder und Projektreferenzen vorstellte. Ein stimmiges Corporate Design, das die gesamte Geschäftsausstattung von der Visitenkarte über das Briefpapier bis zum Unternehmensprospekt wie aus einem Guss erschienen ließ. Weiler stellte sich Kunden stets als CEO des Unternehmens vor, und genau genommen log er damit nicht einmal. Gut – er war gleichzeitig einziger Bereichs- und Abteilungsleiter, auch auf Projektleiterebene hatte er keine Konkurrenz. Er kontrollierte das Human Resources Management des Unternehmens und leitete Controlling und Sekretariat. Er war also PCC – aber wen interessierte das schon so genau. Jedenfalls nicht diesen Polizeivizepräsidenten, den er gerade an der Angel hatte. Ein Mann, der exakt Weilers Beuteschema entsprach – was Männer anging.
    Seit Beginn der Rezession hatte sich die gesamte Consultingbranche von den darbenden Privatunternehmen abgewendet und wie ein Rudel Hyänen auf die öffentlichen Auftraggeber gestürzt, die versuchten, mit gigantischen Konjunkturprogrammen die wirtschaftliche Talfahrt zu bremsen. Wo die Kohle war, da waren die Berater. Und Weiler hatte die frische Beute ein wenig früher entdeckt als seine Konkurrenten. Eigentlich hatte er das seiner Kündigung zu verdanken.
    Das Handwerk der Unternehmensberatung hatte er von der Pike auf gelernt. Über zehn Jahre war er bei der Harvard Consulting Group verantwortlicher Leiter des Change Management Teams gewesen. Mitte 2009 wurde er von heute auf morgen freigestellt. Die interne Revision seines Arbeitgebers war damals auf Unstimmigkeiten bei seinen Spesenabrechnungen gestoßen, aber eigentlich – da war er sich absolut sicher – hatten sie nur einen billigen Vorwand gesucht, um in der Talsohle der Wirtschaftsflaute die Lohnliste möglichst komplikationsfrei kürzen zu können. Wen interessierten vor 2009 schon Spesenabrechnungen?
    Aber André Weiler gehörte zu den Menschen, die das Glas Wasser grundsätzlich halb voll sahen. Ein Ende war immer der Anfang von etwas. Er hatte nach der Kündigung nicht einen Tag gezögert mit seinem Schritt in die Selbstständigkeit. Und er hatte sich auf eine Zielgruppe innerhalb der öffentlichen Auftraggeber konzentriert, die von den etablierten Consultants noch sträflich vernachlässigt wurde: die mittleren Führungsebenen.
    Der eigentliche Firmensitz der PCC war eine kleine Arbeitszelle in einem zehngeschossigen Büroturm in Niederrad, von der aus Weiler seine gesamte Telefon-, Schrift- und Internetkorrespondenz abwickelte. In der über dreißig Jahre alten Bürostadt westlich der Frankfurter City standen seit Beginn der Rezession viele Etagen leer. Um ihre Verluste durch Leerstand zu begrenzen, hatten einige Immobilienverwalter und -eigentümer die großzügigen Flächen mit Leichtbauwänden in winzige Hamsterkäfige unterteilt, die an Freischaffende und Ich-AGler vermietet wurden. Grafiker und Texter, deren Honorare knapp über dem Existenzminimum lagen, halb professionelle EBAY-Händler, obskure Import/Export-Unternehmen, fingierte Anwaltskanzleien, die wöchentlich Tausende von Mahnbriefen an

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