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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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wie ein Besteckteil aus einem Puppenhaus, Kartoffelpüree in sich hinein.
    »Was ist los mit dir?«, fragte Rünz. »Keine dummen Bemerkungen über mein kleines Ritual? Ist doch sonst nicht deine Art.«
    Brecker grunzte kurz.
    »Und?«, hakte Rünz nach. »Wie geht’s so?«
    »Alles bestens«, knurrte Brecker.
    »Irgendwelche neuen Geschäftsideen? Elektrische Klobürsten? Intimsprays für Schäferhunde?«
    Rünz kam sich vor wie bei einer Mahlzeit mit seiner Frau, nur übernahm diesmal er den aktiven Part. Eigentlich hasste er es, wenn Brecker ihn beim Mittagessen mit absurden Methoden magischer Geldvermehrung belästigte. Aber in diesem Zustand hatte er seinen Schwager noch nie erlebt, und er wäre für jedes Anzeichen von Normalität in dessen Verhalten dankbar gewesen. Brecker schien wie lobotomiert.
    »Wenn du mich weiter so zulaberst, könnten die anderen denken, wir wären schwul«, sagte Rünz.
    »Scheiß drauf«, dröhnte Brecker.
    »Was ist los mit dir? Hast du Verstopfung? Ärger mit Janine?«
    »Alles knusper mit Schannin.«
    Rünz zögerte einen Moment, bevor er weiter nachhakte. »Was macht dein Kleiner? Kommt der nicht langsam in die dritte Klasse?«
    Brecker drehte plötzlich den Kopf und starrte ihn an, zum ersten Mal seit Beginn ihres gemeinsamen Mittagessens schien er Rünz wahrzunehmen. Die Speckschicht auf seinen mächtigen Nackenmuskeln warf Röllchen über dem engen Hemdkragen. »Hat Schannin mit dir gesprochen?«
    »Janine? Mit mir? Nein, warum?«, gab sich Rünz unschuldig.
    »Aber mit Karin. Und die hat mit dir gesprochen, stimmt’s?«
    »Hör zu – ich rede nicht mit deiner Schwester. Ich bin seit fünfzehn Jahren mit ihr verheiratet, hast du das vergessen?«
    Rünz stopfte sich ein Stück Frikadelle in den Mund und kaute eine Weile schweigend. Brecker aß wie ein Automat die letzten Reste Püree, legte die Gabel ab, schob das Tablett zur Seite und starrte wieder aus dem Fenster. Seine Bratwurst hatte noch Gnadenfrist.
    »Was hätten mir die beiden denn erzählen können?«, fragte Rünz vorsichtig.
    »Die wollen mir Kevin wegnehmen.«
    »Wer sind ›die‹? Deine Ex?«
    »Die und ihr neuer Stecher.«
    »Klaus, ihr habt gemeinsames Sorgerecht. Die können dir Kevin nicht wegnehmen. Ist das dieser Lutscher, den wir auf der Infoveranstaltung der Internationalen Schule gesehen haben?«
    »Kommt aus Frankfurt. Irgendein Businesstyp. Unternehmensberater oder so was. Solche Typen haben gute Anwälte. Die wollen beim Familiengericht alleiniges Sorgerecht beantragen. Die sagen, das wär nicht gut für Kevin, wenn er bei mir ist. Irgendeiner hat uns bei unserem Auftritt in der Schule letztes Jahr gefilmt, das wollen die der Richterin zeigen.«
    Rünz schluckte. Dieser Auftritt in der Internationalen Schule in Langen war damals eigentlich seine Idee gewesen, sie wollten Kevin um jeden Preis vor dieser Eliteschmiede retten. Bei einem Informationsabend hatten sie sich als Kevins Verwandtschaft präsentiert und aufgeführt wie ein Kegelklub bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth. Rünz war also nicht ganz unschuldig an der aktuellen Entwicklung.
    Die winzigen Knöpfchenaugen in Breckers riesigem Gesicht schienen in Wasser zu schwimmen. Zweieinhalb Zentner Lebendgewicht in emotionaler Auflösung. Dieser Mensch hatte nur zwei Aggregatzustände – das mächtige, gefährliche Raubtier und das hilflose, mitleiderregende Riesenbaby.
    »Du brauchst einen Anwalt«, regte Rünz aufmunternd an. »Besorg dir einen, der auf Familien- und Sorgerecht spezialisiert ist. Die kriegen das niemals durch. Die Gerichte befragen heute immer das Kind, bevor die solche Entscheidungen treffen. Verdammt, Klaus   – dieser Typ pampert deinen Kevin ein paar Monate, schenkt ihm teures Technikspielzeug, nimmt ihn im Flieger mit, um vor Inge den Superpapi zu markieren. Dieser Lutscher lässt Kevin bald fallen wie eine heiße Kartoffel, wenn er merkt, dass Erziehung Arbeit bedeutet. Du hast den Kleinen schneller wieder an der Backe, als du pissen kannst!«
    Die Sache mit der Erziehungsarbeit hatte Rünz ein paar Tage zuvor in einer Supernanny-Sendung auf RTL gehört, und er fand, hier passte der Begriff ganz gut. Irgendwo in ihm schlummerte ein verdammter Sozialarbeiter.
    »Hab kein Geld für einen Anwalt«, sagte Brecker. »Zahle fast Tausend Euro Alimente jeden Monat.«
    »Moment«, rekapitulierte Rünz. »Inge lässt sich von diesem Businesstypen mit Schampus und Schrimps abfüllen und zieht dir noch Unterhalt aus der

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