Kontrollverlust - Kontrollverlust
dem Berg hielten. Hoven ging ihm und seinen Kollegen mit seinen informationstechnischen Extrawürsten gewaltig auf die Nerven.
»Sie können Ihren Blackberry nicht einfach so mit Ihrem McBook synchronisieren«, sagte er. »Sie brauchen dafür eine spezielle Software. Die Anschaffung muss beantragt werden, und wenn der Antrag bewilligt ist, durchläuft die Software die üblichen Prüfroutinen, bevor wir die Installation freigeben.«
»Verdammt«, wetterte Hoven. »Wir leben hier im Jahr 2010, heute ist alles mit allem kompatibel.«
»Wir sind hier nicht in irgendeinem Hackerklub. Wir haben Ihnen immer von Ihrer Apple-Insellösung abgeraten. Bringt nur Probleme«, erwiderte der IT-Mann bemüht ruhig. Er machte eine kurze rhetorische Pause. »Im Übrigen sollten Sie vielleicht nicht alles glauben, was die Marketing- und PR-Abteilungen der IT-Konzerne so erzählen.«
Bravo, dachte Rünz. Wunderbar nachgetreten. Er unterdrückte den Impuls, aufzustehen und zu applaudieren.
»Vielleicht sind Sie einfach überfordert mit heterogenen Netzwerkumgebungen«, stänkerte Hoven zurück. »Versuchen Sie’s doch mal als EDV-Lehrer an der Volkshochschule! Grundkurs MS-DOS 3.1, das müssten Sie doch hinkriegen.«
Der IT-Experte knurrte ein kaum hörbares »Leck mich« und verließ ohne Verabschiedung das Zimmer.
Als Early Adopter bestand Hoven stets auf den allerneuesten technischen Kommunikationsgadgets, auch wenn deren Software noch so löchrig war wie die Abwehr des Darmstädter SV98. Er gehörte zu der bizarren Gruppe von Menschen, die noch stolz darauf waren, sich von den Soft- und Hardwareherstellern als Betatester ausnutzen zu lassen. Gegenüber der Bewilligungsstelle hatte er eine geniale Argumentationslinie entwickelt. Er begründete seine Anträge für neue iPhones, Palm Pilots, Blackberrys, Netbooks und multifunktionale Navigationsgeräte stets mit satten Einsparungseffekten durch Performance-Steigerung, die er mit allerlei bunten Excel-Diagrammen belegte.
Rünz versuchte, sich bemerkbar zu machen: »Also die Sache mit diesem Schlosser …«
»Das hat Zeit«, unterbrach ihn Hoven und tippte noch schnell eine kurze Mail in seinen Blackberry. Rünz’ Chef hatte ein einfaches persönliches Benchmarking, wenn es um die Priorisierung von ungeklärten Todesfällen ging. Erstens: ›Kann ich mit dem Fall im Innenministerium in Wiesbaden punkten?‹ Zweitens: ›Haben die Medien Interesse?‹ Lautete die Antwort auf beide Fragen ›Nein‹, bevorzugte Hoven eindeutig natürliche Todesursachen ohne Fremdverschulden als Ermittlungsergebnis – sie machten wenig Arbeit und belasteten seine Aufklärungsquote nicht. Der Vorgesetzte legte seinen Blackberry zur Seite und wandte sich Rünz zu.
»Ich habe von der Bundeskonferenz der Polizeipräsidenten letztes Wochenende in Berlin einige interessante Impulse mitgebracht.«
Rünz zog den Kopf ein und schaltete auf erhöhte Alarmbereitschaft. Hovens Impulse bedeuteten immer Überstunden und Ärger. Der Kommissar hatte eigentlich erwartet, die Rezession würde einem marktliberalen Innovationsterroristen wie Hoven ein wenig den Wind aus den Segel nehmen – aber Pustekuchen.
»Klingt spannend«, heuchelte Rünz, »erzählen Sie doch mal!«
Hoven legte in einer einladenden Geste beide Handflächen geöffnet auf die Stuhllehnen und schaute Rünz mit leicht schief gehaltenem Kopf direkt an, bevor er loslegte. So total offen und unvoreingenommen. Auf Augenhöhe sozusagen. Jede Wette, dass dieser Idiot wieder ein Körperspracheseminar besucht hatte. Wahrscheinlich beim Guru Samy Molcho persönlich. Da gingen dann schon mal zehntausend Euro auf die Kostenstelle Aus- und Weiterbildung. War ja für einen guten Zweck. Das Problem mit diesen Seminaren war nur, dass ein blasiertes Arschloch wie Hoven durch sie nicht sympathischer rüberkam, sondern einfach nur wie ein besonders blasiertes Arschloch, das in einem Körperspracheseminar geübt hatte, sympathischer rüberzukommen.
»Nun«, sagte Hoven, »um die bundesweiten Ressourcen optimal zu bündeln, haben wir beschlossen, in jenen Präsidien, die sich für bestimmte Fachgebiete Spezialkenntnisse von überregionaler Bedeutung erarbeitet haben, Kompetenzzentren zu implementieren, die über die Ländergrenzen hinweg agieren. Cross Selling nennt sich das. Wird der Booster für unsere Leistungsbilanz.«
Rünz hörte nicht richtig zu, er war verwirrt. Irgendwie hatte Hoven es geschafft, sich in den fünf Minuten zwischen dem Meeting in der
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