Kontrollverlust - Kontrollverlust
unähnlich.
»Welche Spezialkenntnisse könnten wir den Kollegen denn verkaufen?«, fragte Rünz vorsichtig.
»Na also«, sagte Hoven. »Sie denken nach vorne, so gefallen Sie mir schon besser. Erinnern Sie sich doch mal an Ihre Ermittlungen im Umfeld des European Space Centers. Und was ist mit dieser Robotergeschichte an der Technischen Universität?«
»Zwei Durchgeknallte – einmal ein Astronom und einmal ein Android. Ich weiß nicht ganz, worauf Sie hinauswollen.«
Hoven schüttelte eine halbe Minute lang tadelnd den Kopf. »Rünz, Sie werden es nie verstehen. Es reicht nicht, einfach nur seinen Job zu machen. Man muss über seine Arbeit reden ! Erfolge kommunizieren, sich positionieren, Märkte erschließen. Haben Sie denn überhaupt keinen Ehrgeiz? Gar keinen Sinn für Selbstdarstellung?«
Da reicht ja wohl einer im Präsidium, dachte Rünz. »Doch, doch. Ich habe schon konkrete Ziele. Wollte sowieso mal über meine Pläne mit dem Vorruhestand mit Ihnen …«
»Fangen Sie bloß nicht wieder damit an«, schnitt ihm Hoven das Wort ab. Er schritt zu seinem Flipchart, nahm einen Edding in die Hand und schrieb vier Buchstaben auf das weiße Blatt.
SUSC
Rünz versuchte, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten.
»SUSC steht für Strike Unit Science Crime «, dozierte Hoven. »Klingt doch schneidig, finden Sie nicht? Vergessen Sie nicht, dass wir hier in der Wissenschaftsstadt Darmstadt leben – das allein verschafft uns schon Credibility. Mit so einem Pfund muss man wuchern, auch wenn es uns hier und da vielleicht noch etwas an Erfahrung mangelt.«
Rünz schwankte einen Moment, ihm war schwindlig, er hatte Farbhalluzinationen, als hätte ihm sein Vorgesetzter Meskalin in den Kaffee getröpfelt.
»Sie meinen, wenn in Hamburg an der Uni ein Laborant über einen Bunsenbrenner stolpert, dann rufen die Kollegen hier bei uns an?«
»Wenn der Laborant dabei zu Tode kommt und die Indizien auf Fremdverschulden hinweisen – warum nicht? Sie und Wedel haben lange genug im Umfeld von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen ermittelt. Sie sollten Ihre Erfahrungen jetzt einem breiteren Kollegenkreis zur Verfügung stellen. Ich habe in Berlin schon ordentlich Werbung für Sie gemacht, wundern Sie sich also nicht, wenn die Drähte in den nächsten Wochen heiß laufen. Das BKA stellt Ihnen sogar technische Ressourcen zur Verfügung.«
Hoven lehnte sich über den Tisch und schaute Rünz eindringlich an. »Verdammt, Rünz, das ist Ihre Chance! Sie können sich als Senior Specialist bundesweit einen Namen machen! Ich arbeite im Moment mit einem Frankfurter Consultant zusammen, der mit Ihnen die Details durchgehen wird. Sie brauchen einen professionellen Auftritt. Und wenn Sie wollen, besorge ich Ihnen einen Coach. Sie bekommen eine separate Telefonnummer und Mailadresse für Ihre Strike-Unit-Aktivitäten, außerdem bauen wir ein eigenes Subportal auf unserer Internetplattform. Schreiben Sie doch mal zwei Abstracts zu Ihren Aktivitäten bei der ESOC und der Universität, wir brauchen Content für Ihren Webauftritt.«
Hoven drehte sich um und schaute entrückt aus dem Fenster, bevor er weiterredete, wie ein Visionär kurz vor einer Eingebung. »Ich denke drüber nach, ob wir uns ein eigenes Logo und einen Claim für Sie einfallen lassen, irgendein stilisiertes High-Tech-Motiv in einem vertrauensbildenden, warmen Grünton, dazu vielleicht ›SUSC Darmstadt – Where science meets security‹, oder so was Ähnliches. Wir sollten zeitnah ein Mailing launchen. Neue Medien hin oder her, wir dürfen bei unseren konservativen Kollegen den Printbereich nicht vernachlässigen. Einen kompletten Sales-Folder kriegen wir so schnell nicht hin, aber für den Anfang reicht ein Product Leaflet. Da muss das Wording hundertprozentig stimmen, sonst machen wir uns lächerlich. Außerdem werden wir in den Social Networks ein wenig virales Marketing betreiben. Wir haben einen engen Time Frame, SUSC muss innerhalb von zwölf Monaten als Marke bei den Kollegen in den anderen Bundesländern etabliert sein, sonst sinkt die Awareness für das Issue. Und …«, Hoven bremste seinen Redefluss einen Moment, »… an Ihrem persönlichen Auftritt gibt’s ebenfalls noch Verbesserungspotenzial. Das Auge isst mit, Herr Rünz.«
Beim letzten Satz musterte Hoven Rünz’ altes C&A-Jackett aus den Achtzigern, als ob es daran etwas auszusetzen gäbe. Rünz hatte erst wenige Tage zuvor die durchgescheuerten Ellenbogen mit Bügelplacken aus
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