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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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waren aber eine andere Baustelle. Er war bei der Mordkommission. Ob Brecker seinen Rocco kannte? Wenn er sich für Autos interessierte, war er ihm sicher schon aufgefallen vor dem Präsidium. Irgendein ziviler alter Astra aus dem Fuhrpark wäre vielleicht doch intelligenter gewesen für diese Observation. Scheiß drauf – der Typ, der gleich den Inhalt dieses Containers abholen würde, war mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht Brecker. Kein Grund also, sich ins Höschen zu machen.
    Wedel legte die Hand auf das Lenkrad und spannte abwechselnd Bi- und Trizeps an. Mit den großen Antagonisten am Oberarm war er mehr als zufrieden, aber der Brachialis machte ihm Sorgen. Eindeutig unterentwickelt. Die Proportionen stimmten einfach nicht. Er würde die Arbeit mit den Curls intensivieren müssen. Eigentlich hasste er die Kurzhanteln. Vielleicht würde er, um seine Motivation zu heben, sein klassisches Split-System aufgeben und auf HS-Training umstellen. Wenn man nicht variierte, kam man immer irgendwann an einen toten Punkt. Sein Köper war wie sein Auto – man entdeckte immer etwas, das man verbessern konnte.
    Der Scirocco war in perfektem Zustand und außen einhundert Prozent Serie. Jungfräulich und rein wie Schneewittchen. Wedel hasste dieses proletenhafte Karosserietuning mit all den Anbauteilen, die aus Serienfahrzeugen Discounterchristbäume machten. Seine Maxime hieß Understatement, er war ein Freund der zurückhaltenden Außenpolitik, und damit hatte er es weit gebracht bei seinem weißen Schmusekätzchen. Ganz und gar unschuldig stand er da in seiner Alpinlackierung. Aber unter der Haube ging’s zur Sache. In Sachen Motor- und Fahrwerktuning hatte Wedel seinem Schützling alles zugute kommen lassen, was die Branche und seine technischen Fertigkeiten zu bieten hatten.
    Das schwachbrüstige Originaltriebwerk hatte er gegen einen G60 PG aus einem Unfall-Corrado ausgetauscht, und dem neuen Implantat mit 70er Laderrad, 90-Millimeter-Ansaugrohr, SLS-Chip, Sprinter-Ladeluftkühler und Gruppe-A-Auspuffanlage eine äußerst wirksame Frischzellenkur gegönnt. Um das Kraftwerk vor dem Hitzetod zu schützen, sorgte ein großzügig dimensionierter Passat-32B-Kühler für Erfrischung.
    Dem Fahrwerk hatte er sich mit ebensolcher Hingabe gewidmet. Formel-K-Dämpfer mit Bonrath Domlagern, vorn und hinten Wiechers Domstreben, Tramont Felgen und Dunlop Gummis in 195/45 und 225/40. Das Ergebnis der behutsamen Eingriffe in die Originalsubstanz war ein Wolf im Schafspelz, mit dem er einem M3 oder einem Boxster im Antritt jederzeit Paroli bieten konnte.
    Eine Dienstfahrt mit seinem Schneewittchen war normalerweise natürlich ein absolutes No-Go, aber er hatte in der Nacht zuvor die frisch gelieferten Sparco-Sprint-Sitze eingebaut und konnte für die Erprobung einfach nicht bis nach Feierabend warten. Würde schon nichts passieren mit seinem Goldstück. Nicht mehr als ein paar gemütliche Autobahnkilometer zur Spedition und zurück.

     
    Wedel steckte sich die Stöpsel seines iPod in die Ohrmuscheln und ließ sich von James Hetfield und seinen Schwermetallern die Trommelfelle massieren, die Augenlider auf Halbmast. Manchmal konnte dieser Job richtig Spaß machen. Er rammte sich die ersten vier Songs des neuen Albums in die Gehörgänge und stutzte beim fünften. Was spielte Lars Ulrich da für einen Bockmist bei ›Suicide & Redemption‹? Er war völlig aus dem Takt mit seiner Bass-Drum. Nach ein paar Sekunden merkte Wedel, dass der Spediteur gegen die Seitenscheibe auf der Fahrerseite klopfte. Er zog sich die Stöpsel aus den Ohren und drehte die Scheibe herunter.
    »Ich dachte, Sie wollten sich den Typ schnappen«, nuschelte der Dicke durch seinen Zigarrenstumpf.
    Wedel fuhr hoch im Sitz, zog die Füße vom Armaturenbrett und war im Nu aus dem Auto. »Scheiße, der war schon hier?«
    »Ein honoriger Kunde, wenn Sie mich fragen. Hat alle Rechnungen anstandslos bar bezahlt. Und noch mal vier Fünfziger draufgelegt, damit ihm meine Jungs beim Aufladen helfen.«
    »Verdammt, warum haben Sie mir nicht Bescheid gesagt?«
    »Junge, wenn du dir lieber in deinem Schneewittchensarg die Eier kraulst, ist das deine Sache. Häng dich dran, er ist kurz vor der Autobahnauffahrt.«
    Wedel starrte in die Richtung, in die der Spediteur zeigte. Ein hochbeiniger Landrover Defender Pick-up mit langem Radstand und offener Pritsche dieselte die Auffahrt zur A5 hoch, bog dann überraschend in einen Wirtschaftsweg ein, der nach Südosten durch die endlosen

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