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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Spargelfelder Richtung Weiterstadt führte. Wedel wusste nicht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. Verdammt, von den zweiunddreißig Fahrzeughaltern, die auf diesen Traktorreifen unterwegs waren, fuhren nur vier Landrover. Die Wahrscheinlichkeit für Breckers Beteiligung stieg.
    Wedel richtete sich wie elektrisiert in seiner Sitzschale auf, startete das Triebwerk, wuchtete das volle Drehmoment auf die Kardanwelle und ließ den Spediteur im Rauch einer erlesenen Gummimischung seiner Dunlop SP Sport MAXX GT zurück. Wenn er jetzt nicht dranblieb, würde Hoven ihm den Arsch aufreißen, und er konnte sich den kurzen Dienstweg nach ganz oben in Zukunft abschminken. Außerdem freute er sich darüber, seine Wolfsburger Raubkatze mal so richtig Blut lecken zu lassen – und das auch noch in höherem Auftrag!
    Seine Begeisterung verflog schnell, nachdem er von der Autobahnauffahrt in den Feldweg eingebogen war. Der Defender hatte inzwischen einen Vorsprung von rund einem halben Kilometer und hinterließ eine mächtige Staubfahne am Horizont. Zwischen dem Flüchtigen und seinem Verfolger erstreckte sich ein Band von Schlaglöchern, Rissen und herausgebrochenen Asphaltplacken. Manche der Vertiefungen in dem Wirtschaftsweg schienen groß genug, um im Hochsommer darin ein Bad zu nehmen. Wedel hatte Eigenschaften wie Bodenfreiheit und Federweg eines echten Männerautos immer für unwürdig erachtet; jetzt wünschte er sich zumindest ein paar Zentimeter mehr von beiden. Staub ging ja schon mal gar nicht. Eine noch so kurze Staubdusche bedeutete mindestens zwei Tage lang Intensivreinigung, eine Höllenarbeit. Aber es half nichts, er durfte diese Observierung auf keinen Fall verbocken.
    Er nahm die Verfolgung auf, versuchte, den kratergroßen Schlaglöchern so gut wie möglich auszuweichen, musste immer wieder auf die Bankette ausweichen. Das Fahrwerk gab jedes Schotterkörnchen und jede Schneckenschale auf der Piste in Echtzeit als Erschütterung an Wedels Wirbelsäule weiter. Dieser Rocco war wie ein Teil seines Körpers, ein Exoskelett – jedes Mal, wenn die Frontschürze oder einer der Seitenschweller Bodenkontakt hatten, spürte Wedel Schmerzen.
    Immerhin, er holte auf, hatte vielleicht noch zweihundertfünfzig Meter Abstand zu dem Geländewagen, dessen Ladung auf der Pritsche auf und ab hüpfte, wenn die Hinterreifen in ein Schlagloch eintauchten und die mächtigen Blattfedern den Leiterrahmen danach hochwarfen wie einen Kunstspringer auf dem Sprungbrett. Wedel schaltete die Lüftung aus, damit ihm die Staubfahne nicht gleich den Innenraum puderte, wenn er näher kam.
    Plötzlich lagen Pritsche und Ladung des Vorausfahrenden völlig ruhig, die Staubfahne löste sich vom Pick-up und bildete über dem Spargelfeld eine einsame kleine Windhose, die nach Osten abtrieb. Ging der holprige Wirtschaftsweg weiter vorne vielleicht in eine besser ausgebaute Nebenstraße über? Nein – der Defender stand. Auf der rechten Seite stieß er immer wieder Rußwolken aus, der Fahrer schien alle paar Sekunden Gas zu geben, um den Motor auf Touren zu halten. Was hatte er vor? Zum Pinkeln musste er aussteigen. Vielleicht kramte er gerade seine Tupperdose aus der Tasche, um sich auf der Weiterfahrt ein Salamibrot reinzuschieben. Und wenn der Typ gar nicht weiterfuhr, sondern hier, mitten auf dem Feldweg, seine Frühstückspause machte und sich auf das Seite-Drei-Mädchen in der ›Bild‹ einen runterholte? Wedel fuhr im Schritttempo weiter und klopfte mit den Fingerspitzen auf die vergoldete Momo-Nabe seines Grant-Volant. Was sollte er jetzt tun? Er musste sich schnell entscheiden. Wenn er auf Distanz anhielt und einfach wartete, würde jeder Idiot am Steuer des Geländewagens merken, dass er verfolgt wurde. Weiterfahren und überholen? Unmöglich, der zerfurchte Feldrand beiderseits des Weges erforderte mindestens zehn Zentimeter Bodenfreiheit. Also einfach dumm stellen. Das konnte er gut. Einfach mit Schmackes hinten ranfahren, spät und mit Lichthupe in die Eisen gehen, aussteigen und den Typ wegen der Blockade anstänkern. Mit seinem Groß-Gerauer Kennzeichen konnte er so was jederzeit glaubwürdig rüberbringen.
    Fünfzig Meter noch, er konnte jetzt das Kennzeichen erkennen. Wedel zog einen Notizzettel aus der Tasche seines Hemdes, ging die Liste der Fahrzeughalter durch und merkte, dass er ein Problem hatte. Unentdeckt wegtauchen war jetzt nicht mehr. An wenden war überhaupt nicht zu denken, er hätte seine Rennsemmel im Spargelfeld

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