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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Ermittlungsalltag bot derlei Abwechslung so gut wie nie. Verbrecher waren auch nicht mehr das, was sie mal waren. Standen heute alle auf Sicherheit, mit Riester-Rente, Prostata-Vorsorgechecks und Kindersitzen mit Isofix-Befestigung.
    Um wieder runterzukommen, switchte er kurz vor dem Einschlafen noch mal rüber zu 3sat und schaute sich die Wiederholung einer Öko-Weltrettungs-Reportage an, die deutsche Greenpeace-Aktivisten bei ihren Attacken auf japanische Walfangschiffe zeigte. Diesen Absacker hätte er sich besser gespart. Danach hatte er von einer Gruppe enthusiastischer junger Japaner geträumt, die sich ›PigPeace‹ nannte und mit missionarischem Eifer dem Borstenviehmassenmord an deutschen Schlachthöfen Einhalt gebieten wollte. Zu Anfang warben sie mit friedlichen Mitteln um mehr Aufmerksamkeit – sie verkauften CDs mit Lauten, die sie ›Grunzgesänge aus dem Koben‹ nannten, und luden Interessierte zum Pig Watching in westfälische Mastbetriebe ein. Dann wurden sie rabiater im Kampf um die geschundene Kreatur und mobilisierten erfolgreich die Öffentlichkeit. Der Bundeslandwirtschaftsminister – der in Rünz’ Traum Hoven auffallend ähnelte – sah sich genötigt, in einer spontan einberufenen Pressekonferenz darauf hinzuweisen, dass in Deutschland Schweine ausschließlich zu Forschungszwecken geschlachtet würden.
    Rünz dachte nach dem Aufwachen darüber nach, den Traum in der nächsten Paartherapiesitzung zum Besten zu geben. Da hatte die Therapeutin ordentlich was zu deuteln und würde ihn nicht mit intimen Fragen nerven.

     
    Auch seine Frau machte einen leicht zerknautschten Eindruck am Frühstückstisch, sie litt offensichtlich unter den Nachwirkungen ihres nächtlichen Dauertalks mit Janine. Sie rührte mit der Linken gedankenverloren in einem großen Glas mit brauner Brühe herum, die Rünz fatal an Klärschlamm erinnerte. In der anderen Hand hielt sie ein weißes Stäbchen, auf das sie ab und zu schaute.
    »Willst du mit dem Abwasser deine Immunabwehr testen?«, fragte Rünz.
    »Luvos Heilerde«, murmelte sie. »Zur Entschlackung. Solltest du auch mal probieren.«
    »Heilerde kannst du bei mir vergessen. Für die Schlacken in meinem Dickdarm brauchst du einen Presslufthammer.«
    Rünz nahm die Packung mit dem feinen Pulver, die neben ihr auf dem Tisch stand, und las sich die Produktbeschreibung auf der Rückseite durch. »Die verkaufen Dreck in der Apotheke?«, fragte er ungläubig. »Das glaub ich nicht. Ist ja noch besser als Meerwassernasenspray, die Idee. Solltest du deinem Bruder erzählen. Klaus wird sofort ganz groß einsteigen ins Geschäft.«
    »Klaus interessiert sich im Moment nicht für Geschäftsideen.«
    Jetzt ging das wieder los. Klaus Brecker, das Sorgenkind. Wenn das so weiterging, würde Rünz im Präsidium einen Charitytag für seinen Schwager organisieren müssen. Und immer dieser vorwurfsvolle Unterton. Es war Zeit, ein wenig Gutwetter bei seiner Frau zu machen. Die Schleimertour hatte doch bei Hoven ganz gut funktioniert.
    »Übrigens, du siehst heute einfach wieder fantastisch aus«, sagte er und stieß danach erschöpft die Luft aus, als hätte er gerade einen Triathlon absolviert.
    Seine Frau langte mit dem Arm über den Tisch und legte ihm den Handrücken auf die Stirn. »Hast du Fieber? Ist dir schlecht?«
    »Wieso? Nur weil ich dir ein Kompliment mache, muss ich doch nicht krank sein.«
    »Nein, das ist wahr.« Sie schien kurz nachzudenken. »Das letzte Kompliment hast du mir gemacht, bevor wir zum ersten Mal miteinander ins Bett gegangen sind.«
    »So lange ist das schon her?«, staunte er. »Wie dem auch sei – seitdem hast du mich ja auch ohne Komplimente rangelassen. Mein Chef sagt immer, man soll haushalten mit seinen Ressourcen.«
    Er schob sich die erste Hälfte seines Leberwurstbrötchens zwischen die Zähne. »Und?«, schmatzte er. »Willst du bei mir jetzt Fieber messen mit deinem Thermometer?«
    »Das ist kein Fieberthermometer. Das ist ein Teststäbchen.«
    »Ein Test? Hast du dir bei einem der Bionadetrinker aus deiner Pilatesgruppe einen Tripper eingefangen? Respekt, hätte ich den Jungs gar nicht zugetraut. Ich dachte, die reden so lange über ihre Gefühle, bis sich nichts mehr regt in der Hose.«
    »Tests sind nicht nur dafür da, um Krankheiten zu diagnostizieren.«
    »Ach, für was denn sonst?«
    »Zum Beispiel für Veränderungen im Hormonhaushalt.«
    »Dafür brauchst du dir keine Teststreifen kaufen. Frag mich, wenn du wissen willst, ob

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