Kontrollverlust - Kontrollverlust
nicht ganz oben, eher so auf Platz zwei. Oder drei. Und Sie? Sie machen sich zur Erfüllungsgehilfin meiner Frau und versuchen, mich zu diesem Besuch zu überreden. Eigentlich sollten Sie doch unparteiisch sein und vermitteln!«
»Aber finden Sie es nicht interessant, Ihren inneren Widerstand gegen diesen Besuch genauer zu hinterfragen?«
»Ach«, stieß er triumphierend aus. »Finden Sie es nicht interessant, die Motivation meiner Frau für diesen gemeinsamen Besuch genauer zu hinterfragen?«
Touché. Er hatte die Psychologin mit eiskaltem, messerscharfem Intellekt in die Knie gezwungen. Rünz grinste sie selbstgefällig an und schaute dann demonstrativ mit einem hoffentlich-kann-ich-mich-bald-mit-Wichtigerem-beschäftigen-Blick auf seine Armbanduhr. Ein schöner Start in den Tag, jetzt konnte er es gar nicht mehr erwarten, Wedel ins Kreuzverhör zu nehmen.
»Hm«, machte die Therapeutin. Das war ihr Dauerbrenner, ein Laut, der aufgewecktes, vorurteilsfreies Interesse suggerieren sollte. Aber diesmal klang ihr ›hm‹ einfach nur verzweifelt.
»Hm – ich glaube, in dieser Frage stecken wir im Moment ein wenig in einer Sackgasse, aus der wir nicht so recht herauskommen. Lassen Sie uns vor dem Ende unserer Sitzung noch ein Thema ansprechen, auf das ich besonders neugierig bin. Wie war denn das Ergebnis Ihres Tests, Frau Rünz?«
Test? Was für ein Test? Die Psychologin strahlte seine Frau an, als hätten die beiden ein Kind miteinander gezeugt – Rünz erstarrte vor Schreck über seine Assoziation, er erinnerte sich blitzartig an das Frühstücksgespräch mit seiner Frau, das seltsame weiße Stäbchen, mit dem sie herumgefuchtelt hatte, ihr Gerede über Hormonveränderungen. Der Kommissar spürte Panik, Hitzewellen und Schüttelfrostattacken überspülten ihn in schneller Folge. War er jetzt plötzlich in den Wechseljahren? Er drehte den Kopf zu seiner Frau, die sprachlos, wie versteinert, die Therapeutin anstarrte
»Ach, Sie haben mit Ihrem Mann noch gar nicht …«, stammelte die Therapeutin.
»MOOOOOOOMENT – Time-out!«, rief Rünz und legte die Handfläche der Rechten auf die hochgestellten Fingerspitzen der Linken. Dann, an seine Frau gewandt: »Willst du mir damit sagen, dieser Test neulich beim Frühstück, das war so ein, na so ein – du weißt schon, was ich meine …« Er brachte das Wort ›Schwangerschaftstest‹ nicht heraus, als könnte seine Frau alleine durch die Aussprache auf magische Art und Weise befruchtet werden.
»Sorry«, versuchte die Therapeutin zu schlichten. »Vielleicht sollten Sie beide dieses Thema erst mal untereinander …«
»BIST DU JETZT VÖLLIG DURCHGEKNALLT?«, unterbrach Rünz wutentbrannt. »Du kannst doch nicht einfach die Pille absetzen! Du bist zweiundvierzig – eine Schwangerschaft wird dich umbringen !« Er war hochgradig erregt, saß ganz vorne auf der Stuhlkante.
»Diese Behauptung halte ich für etwas übertrieben«, sagte seine Frau. »Es gibt durchaus Frauen, die Schwangerschaften mit Anfang vierzig überleben. Im Übrigen habe ich keine Ahnung, von welcher Pille du sprichst.«
»Willst du jetzt behaupten, du hättest nie verhütet, seit wir uns kennen?«
»Ich weiß nur, dass wir nie über Verhütung gesprochen haben. Worauf du dich immer stillschweigend verlassen hast, ist nicht meine Angelegenheit.«
»Verdammt, jetzt sagen Sie doch auch mal was«, zischte er die Paartherapeutin verzweifelt an. Es war das erste Mal seit Beginn der Therapie, dass er sie um Unterstützung ersuchte. »So kann man doch in einer Ehe kein Vertrauen aufbauen.«
»Haben Sie denn verhütet, seit Sie sich kennen?«, fragte die Psychologin ihn. Die Hexe hatte schon wieder Oberwasser. Verdammte Frauensoli. Den nächsten Therapeuten würde er aussuchen.
»Also das ist ja nun wirklich keine Männersache. Könnte ich jetzt bitte das Testergebnis erfahren?«
»Negativ«, warf seine Frau trocken ein.
»VERDAMMT, ICH HABE ABER EIN RECHT DRAUF«, brüllte Rünz.
»Ich glaube, Ihre Frau hat Ihnen das Ergebnis gerade mitgeteilt«, sagte die Therapeutin.
»Sie meinen, negativ im Sinne von …«, er schaute sekundenlang verdutzt drein, seine Hirnzellen arbeiteten auf Hochtouren, »… im Sinne von ›Negativ für eine Frau, die sich ein Kind wünscht‹? Also eigentlich positiv ?«
»Oder vielleicht negativ für einen Mann, der sich kein Kind wünscht«, orakelte seine Frau und blickte beleidigt an die Zimmerdecke.
»Kann hier vielleicht endlich mal jemand Klartext mit mir
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