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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Wendekreis des Minitraktors war zu groß, er musste bei jeder Kehrtwende das Rosenbeet seines Nachbarn als Rangierfläche mitbenutzen. Da Brecker seine Mähmaschine im Sommer stets mit nacktem Oberkörper und nie ohne seine Respekt heischende 500er Magnum im Schulterholster bestieg, hatte sich der Rosenliebhaber mit Kritik bislang zurückgehalten.
    Und von seinem Landrover mal ganz zu schweigen. War man mit einem serienmäßigen Defender schon perfekt gerüstet für eine mittelschwere Afrikaexpedition, so hatte Brecker das Einsatzspektrum seines Lieblings vergrößert mit einigen Zusatzfeatures, die normalerweise den Militärversionen des Geländewagens vorbehalten waren: ein Subframe unter der Ladefläche für extreme Lasten, ein Schnellwechselkühler für Battlefield Conditions, Heavy-Duty-Felgen mit schlauchloser Bereifung, Militärstoßstange mit integrierter Maulkupplung, verstärkten Starrachsen, Unterfahrschutz und Tarnlichtschaltung. Sollte je eine mit Atomsprengköpfen bestückte nordkoreanische Langstreckenrakete am Langen Ludwig einschlagen – Brecker wäre der einzige Darmstädter Heiner, der dem Höllenfeuer unbeschadet entkäme. Der Defender hatte für ihn die gleiche Bedeutung wie für einen praktizierenden Christen das Turiner Grabtuch. Er war Gegenstand tiefster Verehrung, ja Anbetung. Es war die Reinheit der Konzeption, die Rünz kaum minder faszinierte. Nichts an diesem Vehikel war nach ästhetischen Kriterien gestaltet, jedes Detail hatte nur zwei Aufgaben zu erfüllen – zu funktionieren, und nicht kaputtzugehen. Funktion bestimmte Form.
    Und wo waren nun alle diese Preziosen, diese zwei- und viertaktigen, lauten und stinkenden Männerträume, die er normalerweise sauber und akkurat aufgereiht hier in seiner Garage aufbewahrte? Verschwunden.
    Rünz hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit völligem Chaos in der Werkstatt. Der Boden war übersät mit Werkabfall, Schlackeplacken von Schweißarbeiten, Reststücken von Metallprofilen, abgenutzten Trennscheiben von Winkelschleifern, Metallstaub und -spänen, abgezogenen Isolierungen von Stromkabeln und Öllachen. Dazwischen, achtlos hingeworfen, hochwertiges Handwerkszeug; Drehmomentschlüssel, Abzieher, Gewindeschneider. Und keine Spur von der Gatling, der Lafette oder der Munition. War das ein gutes Zeichen?
    Rünz wartete eine Stunde, rief auf Breckers Festnetzanschluss und seine Mobilnummer an, hinterließ eine Nachricht auf der Mailbox, ließ sich von seiner Frau Janines Handynummer durchgeben, hatte auch bei ihr kein Glück. Er machte das Licht in der Werkstatt aus, zog das Tor zu und hängte das Vorhängeschloss ein. Langsam wurde es Zeit, Breckers Aktivitäten mit etwas mehr Nachdruck zu verfolgen. Aber nicht mehr an diesem Abend. Drei Termine hatte Rünz am nächsten Tag in Frankfurt, und einer davon erforderte noch etwas Vorbereitung.

     

     

     

     

29

    Brecker schreckte auf, die Morgensonne spiegelte sich in der Glasfront des SkyRise-Turmes auf der anderen Straßenseite. Die Gatling glänzte in den Strahlen wie eine riesige stählerne Gottesanbeterin, die auf der Lauer lag. Er streckte sich, jeder Muskel schmerzte, er hatte in den vergangenen Tagen praktisch ununterbrochen gearbeitet. Und in den kurzen Schlafperioden immer der gleiche Traum. Weniger ein Traum, eher realistisch und genau, wie eine Videoaufzeichnung, die mitten in seinem Kopf abgespielt wurde. Die Nacht in der Schlosserei, als er die Lafette abgeholt hatte. Klar, er hatte ihn etwas hart angefasst, aber der Typ war Schlosser und kein Gedichteschreiber, der konnte robuste Umgangsformen vertragen. Warum hatte der Idiot auch eine dicke Lippe riskiert und Aufpreis für Diskretion verlangt? Musste doch nicht sein! Einen Griff hatte der Schmied – wie ein Schraubstock. Brecker hatte sich innerlich auf eine hübsche kleine Schlägerei eingestellt, aber nachdem er den Schlosser bis zur Werkbank zurückgedrängt hatte, wurde der plötzlich lammfromm, schaute ihn mit großen Augen an, als gäb’s nichts Böses auf der Welt. Brecker hatte keine Ahnung, was später in der Schlosserei passiert war, nachdem er weggefahren war. Er jedenfalls hatte damit nichts zu tun. Ging ihn nichts an und spielte jetzt sowieso keine Rolle mehr.
    Existierte ein ›Punkt ohne Wiederkehr‹ während der Vorbereitungen? Die Kündigung der Lebensversicherungen vielleicht? Die Hypothek auf die Eigentumswohnung? Der Kauf der Waffenteile? Die Anmietung der Büroetage? Nein, Brecker konnte mit der

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