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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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uranhaltiger Munition.«
    Der Alte lupfte wieder sein Underbergfläschchen und schluckte den Rest, als bräuchte er Mut für das Finale seiner Erzählung. Dann beugte er sich auf dem Sofa nach vorne und schaute Rünz eindringlich in die Augen. Der Kommissar konnte seine Fahne riechen.
    »Das Problem war – die ganze scharfe Munition war intakt, nicht am Absturzort explodiert, das Uran konnte also auch keine Dauerschäden bei den Anwohnern verursachen. Wenn wir mit der Sache an die Öffentlichkeit gegangen wären, hätten wir allen Nachbarn, die sich an der Zivilklage beteiligt hatten, ins Knie geschossen!«
    »Was haben Sie die ganzen Jahre über mit der Trommel gemacht?«
    »Irgendwann war’s zu spät, das Zeug abzugeben, wir hätten uns Ärger eingehandelt, wegen Vertuschung oder was weiß ich. Wir haben die Trommel aufgerichtet und zwanzig Jahre lang als Biertisch im Partykeller benutzt – und keiner hat’s gemerkt. Aber jetzt verkaufe ich das Haus. Keine gute Idee, so was dem Entrümpler zu überlassen. Außerdem kann ich die paar Kröten gut brauchen im Moment. Es gibt Pflegeheime und es gibt Pflegeheime, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Und mein Schwager …«
    »Ihr Schwager war so heiß auf das Zeug, ich glaube, der hätte mir jeden Preis gezahlt. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie die Nachfrage war, als mein Sohn das Zeug in ein paar Internetforen von Waffenfetischisten zum Kauf angeboten hat. Ich hätte die Munition zehnmal verkaufen können, zum dreifachen Preis. Aber wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ich hab meine Prinzipien. Und Ihr Schwager war der Erste.«

     

28

    Eine Stunde und fünfundvierzig Minuten – er hatte auf der Rückfahrt die von seinem Navigationsgerät geschätzte Fahrzeit um eine Viertelstunde unterboten. Ganz entgegen seiner Gewohnheit, normalerweise empfanden ihn sogar Lkw-Fahrer auf der Autobahn als Hindernis.
    Er stand ratlos vor Breckers Werkstatt in der Marburger Straße hinter dem Meßplatz. Das große Schiebetor war einen Spalt weit offen, aber innen schien alles dunkel. Brecker musste in der Nähe sein, er würde niemals seine heilige Halle unbewacht lassen. Sicher war er nur mal kurz um die Ecke gegangen, zum Pinkeln. Aber warum hatte er dann das Licht ausgeschaltet?
    Rünz trat vor, zog das Tor einen halben Meter weit auf und rief Breckers Vornamen. Keine Antwort. Er betrat den Raum, tastete nach dem Lichtschalter, schloss kurz geblendet die Augen, als die Neonröhren nacheinander aufflackerten. Als er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, schaute er sich um.
    Diese Werkstatt betreten zu dürfen, war immer eine Auszeichnung gewesen. Selbst Rünz war diese Ehre nur wenige Male gewährt worden, und immer hatte er sich dabei gefühlt, als beträte er einen antiseptischen OP-Raum in der Notaufnahme, nur dass die chirurgischen Instrumente, die da wohlsortiert und poliert an den Wänden hingen, ungewöhnlich groß und unförmig waren.
    Breckers Werkstattausrüstung war ihm immer heilig gewesen. Hochwertiges Profiwerkzeug hatte für ihn weniger den Status eines Gebrauchsgegenstandes denn den einer Reliquie. Wenn er Werkzeug benötigte – besser gesagt, wenn er das Gefühl hatte, neues Werkzeug zu brauchen – dann fuhr er nicht in einen der Discount-Baumärkte in der Otto-Röhm-Straße. Brecker kaufte nur da ein, wo sich die Profis ausstatteten, und das Beste war ihm gerade gut genug. Festool, Makita, Fein und Stihl hießen seine Hausmarken. Es war nicht so, dass er mit seinem Werkzeug ständig neue Sachen baute und bastelte, dafür war es ihm eigentlich viel zu schade. Eigentlich verbrachte er die meiste Zeit damit, sein Werkzeug zu pflegen und zu sortieren, so wie ein Philatelist seine Markensammlung ja auch nicht benutzte, um Briefe damit zu frankieren.
    Darüber hinaus liebte Brecker alle Tätigkeiten, für die man eine Maschine mit Verbrennungsmotor einsetzen konnte. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, ein paar Quadratmeter Herbstlaub mit dem Besen zusammenzufegen, wenn man dafür auch den Stihl Laubbläser BR 600 mit über tausendsiebenhundert Kubikmeter Luftdurchsatz und neunundneunzig Dezibel Schalldruck einsetzen konnte. Zur Pflege seiner fünfundzwanzig Quadratmeter Rasenfläche hinter seiner Erdgeschosswohnung im Martinsviertel hatte sich Brecker einen John-Deere-Rasentraktor mit wassergekühltem, dreizylindrigem Yanmar-Dieselaggregat gekauft, den er auf der Ladefläche seines Defenders zwischen Werkstatt und Garten hin- und hertransportierte. Der

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