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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Rünz die Szene für gelungen. Er kopierte die Passage in die Zwischenablage, und fügte sie direkt dahinter noch mal ein. Delgados verdammte Zeitschleifen. Danach schaltete er den Computer aus und entschied, dass er sich etwas Entspannung verdient hatte. Schnell ins Wohnzimmer, auf die Couch und den Fernseher anschalten, ganz kurz nur, zur Ablenkung, danach würde er geschwind in die Federn huschen. Vielleicht hatte er Glück, Tele 5 brachte in loser Folge alte Chuck-Norris-Reißer aus den Achtzigern, und wenn er sich recht erinnerte, war diese Woche ›Invasion U.S.A.‹ dran – ein Streifen, den die Filmkritik als ›brutal, eindimensional und sadistisch‹ charakterisierte, der also beste Unterhaltung versprach.

31

    Wedel hielt den beiden Typen eine Kopie von Breckers Foto aus dessen Personalakte unter die Nase. Er war spät dran, hatte sich noch auf der Zeil die aktuelle Body-Solid-Kabelzugstation im neuen Fitness-Future angeschaut. Die ideale Foltermaschine für seinen unterentwickelten Brachialis. Für so was musste auch mal Zeit sein, wenn man schon in Frankfurt war. Sowieso kein Grund für übertriebene Eile, Rünz hatte ihm ja ausdrücklich befohlen, die Sache mit Brecker auf kleiner Flamme zu köcheln. Die beiden Wachmänner lungerten hinter dem verstaubten Empfangstresen im Foyer des alten GE-Turmes und aßen fetttriefende Pizzaecken von durchweichten Kartonboxen.
    »Klar kennen wir den«, schmatzte einer der beiden. »Das ist der ehemalige SEK-Typ, der oben das Filmset vorbereitet. Sind Sie von der Produktionsfirma? Höchste Zeit, dass der arme Kerl Unterstützung bekommt.«
    »Der schuftet hier seit vier Wochen«, ergänzte sein Kollege und wischte sich mit seinem Handrücken Tomatensoße vom Kinn. »Oben im Achtundreißigsten. Ohne unsere Hilfe hätte der hier kein Land gesehen mit seiner Flak. Eigentlich sollten wir euch eine Rechnung stellen. Was dreht ihr eigentlich, ›Stirb Langsam V‹? Und wann geht’s los? Kriegen wir hier wenigstens ein paar Stars zu sehen?«
    Wedel ignorierte die Fragen. »Wo sind die Aufzüge?«, fragte er.
    »Außer Betrieb«, sagte der Erste. »Aber um die Ecke ist ein Lastenaufzug.«
    Wedel überließ die beiden ihrem Mittagessen. Am Lastenaufzug im hinteren Gebäudeteil mühte sich eine Fotocrew mit ihrem Beleuchtungsequipment ab. Wedel wartete einige Minuten, aber die Sache zog sich endlos in die Länge, weil ein unorganisierter Produktionsassistent ständig mit sinnlosen Kommandos Konfusion erzeugte. Also das Treppenhaus. Gegen eine kleine Intensiveinheit für die Kraftausdauer war ja nichts einzuwenden.
    Er ließ es langsam angehen, nahm bis zum fünften Stock Stufe für Stufe, bis sich Kreislauf und Atemfrequenz an die Belastung gewöhnt hatten, und erhöhte dann das Tempo, nahm im Laufschritt zwei Stufen auf einmal. Auf Höhe des zwanzigsten Stockwerks hielt er kurz auf dem Treppenabsatz an, zog seine Jacke aus, klemmte sie unter den Arm und sprintete weiter, nahm die Nummerierung der Etagen neben den Feuerschutztüren nicht mehr wahr, achtete nur noch auf seinen Rhythmus. So langsam machte ihm die Klettertour Spaß, und er dachte ernsthaft darüber nach, sich bei einem dieser Treppenhausläufe anzumelden, die regelmäßig in der Frankfurter City veranstaltet wurden.
    Nach wenigen Minuten wurde ihm klar, dass etwas nicht stimmte. Er hatte bei seinem dienstlichen Work-out nicht mitgezählt, aber er musste sich längst irgendwo zwischen dem dreißigsten und dem fünfunddreißigsten Stockwerk aufhalten. Aber nach der Nummerierung stand er bereits im dreiundsechzigsten! Das war völlig absurd, das Hochhaus hatte höchstens fünfzig Geschosse. Er lehnte sich keuchend gegen die Stahltür und starrte die auf der Wand aufgemalte Zahl an. Seltsam, sie sah völlig anders aus als die Nummern unten, olivgrün, in so einer seltsamen Militarytypo, mit durchbrochenen Buchstaben. Unversehens wurde ihm klar, dass irgendwelche Filmleute – echte Filmleute – die Originalnummerierung überstrichen hatten, weil sie nicht zum Produktionsdesign passte. Wedel öffnete die Tür, irgendwo musste sich doch ein Hinweis darauf finden, in welcher Höhe er sich aufhielt.
     

     

     

     

32

    Voll auf die Fresse, dachte Rünz. Ich geh auf die Bühne, und hau ihm so auf die Zwölf, dass ihm die Dritten aus dem Gesicht fliegen. Verdengel ihm die Beißleiste, bis der Arzt kommt. Prügel ihm das Grinsen aus der Hackfresse. Ich wickel ihm sein tibetisches -70er-Jahre-Kassengestell um die

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