Kopernikus 1
zurückgekehrt.“ Die glühenden Augen schienen ihn zum erstenmal wahrzunehmen. Mit ungeheurer Anstrengung erhob sich der alte Mann.
„Wer sind Sie?“ stieß er zittrig hervor. Dann, ehe Peyton noch antworten konnte, fuhr er mit gebrochener Stimme fort. „Das muß ein Alptraum sein – weg mit Ihnen, weg mit Ihnen! Lassen Sie mich aufwachen!“
Peyton überwand seine Abscheu und legte ihm die Hand auf die ausgezehrte Schulter.
„Keine Angst – Sie sind wach. Erinnern Sie sich nicht?“
Der andere schien ihn nicht zu hören.
„Ja, es muß sich um einen Alptraum handeln – es muß! Aber warum erwache ich nicht? Nyran, Cressidor, wo seid ihr? Ich kann euch nicht finden!“
Peyton ertrug es, solange er konnte, aber was er auch anstellte, er konnte die Aufmerksamkeit des Alten nicht wiedererringen. Voller Widerwillen wandte er sich dem Roboter zu.
„Schicken Sie ihn zurück.“
7. Die dritte Renaissance
Das irre Plappern hörte langsam auf. Der ausgezehrte Körper sank auf die Couch zurück, und das verrunzelte Gesicht erstarrte wieder zu einer leidenschaftslosen Maske.
„Sind alle so verrückt wie dieser hier?“ fragte Peyton schließlich.
„Aber er ist doch gar nicht verrückt.“
„Was meinen Sie damit? Natürlich ist er verrückt!“
„Er lebt seit vielen Jahren in Trance. Angenommen, Sie begäben sich in ein fernes Land, änderten völlig Ihre Lebensweise und vergäßen alles, was Sie je über Ihr früheres Leben gewußt haben. Schließlich wüßten Sie davon nicht mehr als von der frühesten Kindheit.
Falls Sie dann durch irgendein Wunder in jene Zeit zurückgeworfen würden, würden Sie sich genauso verhalten. Sie dürfen nicht vergessen, daß das Traumleben für ihn völlig wirklich ist und er es schon seit vielen Jahren lebt.“
Das war zweifellos richtig. Wie jedoch konnte der Ingenieur eine solche Einsicht besitzen? Peyton wandte sich ihm erstaunt zu, aber wie gewöhnlich bestand keine Notwendigkeit für ihn, die Frage laut auszusprechen.
„Thordarsen hat es mir unlängst gesagt, als wir Comarre erbauten. Selbst damals befanden sich manche der Träumer schon seit zwanzig Jahren in Trance.“
„Unlängst?“
„Nach Ihrer Zeitrechnung vor etwa fünfhundert Jahren.“
Die Worte ließen in Peytons Gedanken ein seltsames Bild erstehen. Er stellte sich jenes einsame Genie vor, das hier inmitten seiner Roboter arbeitete; vielleicht waren ihm keine menschlichen Gefährten mehr geblieben. Alle anderen hatten sich sicherlich schon vor langer Zeit auf die Suche nach ihren Träumen gemacht.
Thordarsen mochte jedoch ausgeharrt haben, der Schöpferdrang mochte ihn so lange an die Welt gefesselt haben, bis seine Arbeit beendet war. Die beiden Ingenieure, seine größte Leistung und vielleicht die wunderbarste Errungenschaft der Elektronik, die der Welt bekannt wurden, waren seine größten Meisterwerke.
Die Vergeblichkeit und die Tragik überwältigten Peyton. Mehr als je zuvor war er entschlossen, auch wenn das verbitterte Genie sein Leben weggeworfen hatte, dessen Werk nicht untergehen zu lassen, sondern es der Welt zu schenken.
„Sind alle Träumer wie dieser?“ fragte er den Roboter.
„Alle, bis auf die jüngsten. Sie erinnern sich vielleicht noch an ihr früheres Leben.“
„Führen Sie mich zu einem von ihnen.“
Der Raum, den sie als nächsten betraten, war mit dem anderen identisch, der Körper jedoch, der auf der Couch lag, war der eines Mannes von nicht mehr als vierzig Jahren.
„Wie lange ist er schon hier?“ fragte Peyton.
„ Er ist erst vor einigen Wochen gekommen – der erste Besucher seit vielen Jahren, den wir vor Ihrer Ankunft hatten.“
„Wecken Sie ihn bitte auf.“
Die Augen öffneten sich langsam. Es zeigte sich kein Wahnsinn in ihnen, nur Staunen und Traurigkeit. Dann dämmerte ihm die Erinnerung, und der Mann richtete sich auf.
„Warum haben Sie mich zurückgerufen? Wer sind Sie?“
„Ich bin gerade den Gedankenprojektoren entkommen“, erklärte Peyton. „Ich möchte alle freilassen, die noch zu retten sind.“
Der andere lachte bitter.
„Zu retten! Wovor? Ich habe vierzig Jahre gebraucht, um der Welt zu entkommen, und jetzt zerren Sie mich in sie zurück! Verschwinden Sie und lassen Sie mich in Frieden!“
Peyton gab sich nicht so schnell geschlagen.
„Bilden Sie sich ein, daß diese Trugwelt besser als die Wirklichkeit ist? Haben Sie überhaupt keine Sehnsucht, ihr zu entkommen?“
Der andere lachte wieder, ohne eine Spur von
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