Kopernikus 1
Ihr Herr Vater hielt unsere elliptischen Morten-Container – das Weltpatent ist Familienbesitz! – für ein ideales Transportmittel für Hom… Homi…“ Er wußte nicht weiter.
„Für Hominiden“, half ihm Ulf aus der Wortklemme.
„Ganz recht“, strahlte der dritte Geschäftsführer und ließ sich nicht weiter bremsen. „Falls uns wieder einmal eine Moorleiche ins Haus schneit, sagte Ihr Herr Vater. Und jetzt ruht er selbst in der Schneewittchenzigarre! Oh, Pardon. Wir sind da, Sektion N! Wünschen Sie beim Öffnen des Sarges Musik? Unser Angebot reicht vom klassischen Repertoire über Ich hatt’ einen Kameraden bis zu Sphärenklängen. Der Wechselautomat für die Musikboxen …“
„Eine Schweigeminute scheint mir am ehesten angebracht“, betonte Ulf.
„Wie Sie wünschen! Stille kostet allerdings das Doppelte.“ Der Mann in Schwarz schmollte.
Ulf warf zwei Münzen in den gefräßigen Automaten und bat, allein gelassen zu werden.
„Bitte betreten Sie unsere computergesteuerte Hebeplattform. Sie werden hydraulisch hochgefahren. Etage 9!“
Ulf trat auf den Stahlgitterrost des Besucherlifts. Die Hydraulik summte leise. Jeder Meter, den er zwischen sich und diesen Dauerredner brachte, war ihm willkommen.
Die Plattform stoppte.
„Codenummervergleich“, forderte eine Kunststimme.
„17/02/19/50!“ sagte Ulf in die Sprechmuschel, über der eine rote Lampe aufblinkte.
„Achtung, Schmucktafel schwenkt aus. Sarg wird vorgefahren. Schutzdeckel kippt hoch“, warnte der Stimmautomat.
Gebannt folgte Ulf dem angekündigten Schauspiel. Der Schutzdeckel des herausgleitenden Sarges klappte wie von Geisterhand bewegt auf, automatisch schaltete sich die Sarginnenbeleuchtung ein. Ulf beugte sich vor, um durch das entspiegelte Sichtfenster zu schauen …
Er fühlte einen imaginären Faustschlag in die Magengrube. Was er erblickte beziehungsweise nicht erblickte, verursachte ihm eine jähe Übelkeit. Er mußte sich krampfhaft an den Metallstreben der Plattform festhalten.
„Großer Gott“, stöhnte er mühsam beherrscht.
Alles war da! Vaters dunkler Anzug, schwarze Schuhe, Socken, Hemd, Krawatte … nur das Wichtigste fehlte: der Körper des Toten. Anstelle der sterblichen Überreste – wie es so schön heißt – sah Ulf bloß Asche! Plastikasche auf Sandballast, damit das Körpergewicht bei der Bestattung stimmte. Plastikasche, wie sie von den neuen Kunststoffprodukten mit molekularem Zeitzünder übrigbleibt; den Kunststoffprodukten, zu denen auch die Replikatoren im Holo-Reprintverfahren zählen. Dies war einer von Vaters künstlichen Doppelgängern, einer von vieren!
Wenn sich das so verhielt, wo war dann Vater abgeblieben?
Ulf biß die Zähne zusammen. Er würde ihn finden – tot oder lebendig.
„Ich will jetzt endlich wissen, was hier gespielt wird!“ Ulf stand mit geballten Fäusten vor seinem Bruder.
„Es handelt sich um eine Toteneffigie“, antwortete Olaf.
„Kannst du dich vielleicht etwas deutlicher ausdrücken?!“ Der drohende Unterton war nicht zu überhören.
„Toteneffigien sind Abbilder von Verstorbenen für rituelle Zwecke, wenn der Leichnam beim Bestattungszeremoniell nicht verfügbar ist. In den Tropen ist das keine Seltenheit, weil dort die Verwesung besonders schnell …“
„Olaf, bitte!“ mahnte Gunda mit Herzklopfen. Sie hatte Ulf noch nie in einem solchen Zustand gesehen.
„Wir sind nicht in den Tropen! Also: Wo ist Vaters Leichnam wirklich?“
„Ich wollte, ich wüßte es.“
„Willst du mich für dumm verkaufen? Ich könnte dich …!“ Ulf packte Olaf am Kragen.
„Herr Gott, sei doch vernünftig!“ Gunda versuchte schlichtend auf die beiden Brüder einzuwirken.
„Wie soll ich vernünftig sein, wenn alles, was ich höre, wider jede Vernunft ist?! Warum hat Olaf mir von all dem Wahnsinn kein Wort gesagt?“ Er ließ seinen Bruder los.
„Weil du mir verschwiegen hast, daß du ausgerechnet heute eine Sargöffnung vorhattest. Außerdem konnte ich das Zerfallsdatum von Vaters Replikator nicht wissen. Du warst doch der Lieferant!“
Ulf ließ sich in einen der Rattansessel fallen. „Ich wollte Vater eben noch einmal sehen. Das ist doch begreiflich. Oder?“
Gunda trat hinter ihn und begann seine Schultern zu massieren. „Natürlich ist das verständlich.“
„Bitte, laß dir alles in Ruhe erklären. Du ahnst nicht, was ich in diesen letzten drei Wochen durchgemacht habe.“ Olaf setzte sich auf die Kante des Ecktisches.
„Aber wir hätten
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