Kopernikus 1
simpel. Auf einem Hartmetallstreifen waren – als persönliches Signet – die Tastlinien von zwei Fingerkuppen eingeätzt. Wurden die Wirbel, Schleifen und Bogen elektronisch als Identitätsmuster erkannt, öffnete sich das Türschloß. Außer dem Professor konnte sich nur Olaf persönlich zu dem Schutzraum Zutritt verschaffen. Eine akustische Innenschleuse blockte unliebsame Begleiter ab, wenn deren Akustikspektrum nicht erfaßt und eingespeichert war.
Die letzte Parole für diese Phono-Sperre lautete sinnigerweise „Schwarze Nofretete“ …
Endlich standen sie zu dritt vor einer der mobilen Stellwände mit dem bunten Poster der schwarzen Schönheit.
„Black ist beautiful“, sagte Gunda leise, „auch im dritten Jahrtausend.“
„Black is not beautiful. Not, not, not!“ Olaf wies auf das NOT, das mit einem dolchartigen Gegenstand in das Plakat geritzt war. Nicht bloß geritzt. Geschnitten, gehackt, gefetzt. Dreimal! Mit einem dolchartigen Gegenstand? Hatte er dem Reporter gegenüber nicht den gleichen Ausdruck gebraucht, als er das zerschnittene Hundefleisch erwähnte? Aber weder dort noch hier war ein Messer zu finden. Und schon gar kein Bronzedolch. Seit Vaters Verschwinden hatte er schon ein dutzendmal nach verräterischen Spuren gesucht.
Ulf fühlte sich benommen. Die elliptische Grundkonstruktion des umfunktionierten Schutzraumes vermittelte ihm den Eindruck, als befände er sich in einem Schiffsbauch. Die Gehstege und Arbeitsplattformen aus Metallrosten verstärkten diesen U-Boot-Effekt ebenso wie einige Lüftungsrohre, die in einem Ansaugturm endeten.
„Vater konnte manchmal in Wut geraten“, gab Gunda vor dem Plakat zu. „Aber mit dem Messer auf ein Poster einzustechen, das paßt einfach nicht zu ihm. Ganz und gar nicht. Außerdem liebte er den Schwarzen Erdteil!“
Ulf besah sich den zertrümmerten Spiegel. Es sah nicht aus, als wäre dies durch ein Versehen passiert. Verzerrt blickte ihm aus den Scherbenresten eine Gesichtshälfte entgegen. Er erschrak einen Moment. Nicht umsonst sagten alle, daß er Vater am ähnlichsten sah. Der Professor war nie eitel gewesen, was sein Äußeres betraf … Und doch mußte er den Spiegel mit Absicht …
„Vielleicht konnte er seinen Anblick nicht mehr ertragen“, folgerte Ulf unvermittelt und versuchte ein Fazit zu ziehen: „Black ist not beautiful … Bestattet, aber nicht begraben … und anstelle des HIER RUHT mußte auf seine Grabplatte die Sieben mit dem Krallenfinger eingraviert werden.“
„Vi-tri-ol!“ Olaf betonte jede Silbe.
„Ich weiß zwar nicht, was Vater mit alledem bezweckte. Aber vielleicht wollte er uns ein …“ – Gunda schluckte vor Aufregung – „… vielleicht wollte er uns ein Zeichen damit geben, einen Hinweis?!“
„Und wenn er noch am Leben ist?“ Ulf schaute in die Runde.
„Vater kannte das Moor wie kein anderer. An einen Unfall mochte ich nie recht glauben.“
„Und wenn er auf unsere Hilfe hofft, gerade jetzt?“ rief Gunda.
„Zuerst müssen wir ihn finden, Gunda. Finden!“
Das Bildtelefon meldete sich mit seinem elektronischen Kuckucksruf. Olaf griff nach dem Hörer. „Ja, was gibt’s?“
Ernst Hümmling erschien auf dem Bildschirm und druckste herum: „Entschuldigung, Herr Doktor, aber hier ist einer mit Ausweis und Hundemarke … Plakette, meine ich.“
„Polizei?“
„Höher! Ixpol oder Dispol oder …“
„Was haben wir denn verbrochen?“ versuchte Olaf zu scherzen.
„Er will das Hundefleisch sicherstellen; den Block aus dem rötlichen Zeug, der im Labor liegen soll. Er wartet auf Sie!“
„Wir kommen gleich ins Museum, Hümmling!“
„Noch was, Herr Doktor!“
„Was denn?“
„Sie sollen allein kommen, sagt der, allein!“
Olaf legte auf. Hümmlings Fernsehbild erlosch.
Ausgerechnet jetzt, fluchte Ulf unhörbar, wo sie zu dritt einer neuen Hypothese auf der Spur waren.
Ernst Hümmling hatte den ungebetenen Besucher in das spartanisch eingerichtete Museumsbüro geführt, wo er ihn von einem Eckstuhl aus wie einen Gefangenen beaugapfelte. Die verschlossenen Akten- und Registraturschränke blinkten metallen und abweisend im Zwielicht der Leuchtfaserbänder. Vor den Fenstern wich das Tageslicht langsam einer farblosen Dämmerung.
Der Vertreter des Technischen Geheimdienstes entsprach exakt den TGD-Männern, wie sie in gewissen Bildschirmserien ihr plastisches Unwesen trieben.
„Sie hätten uns sofort verständigen müssen“, schnauzte er bei Olafs Eintreffen anstelle
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