Kopernikus 1
Drachenkönig; Judas von Babylon, der große Usurpator. Auf dem größten seiner Drachen reitend, eine eiserne Krone auf dem Haupt und ein Schwert in der Hand, machte er Babylon zur Hauptstadt des größten Weltreiches, das die Alte Welt erlebt hat, ein Königreich, das sich von Spanien bis Indien erstreckte. Er herrschte von einem Drachenthron inmitten der Hängenden Gärten aus, die er hatte anlegen lassen, und dort saß er auch, als er über Jesus von Nazareth richtete, jenen aufrührerischen Propheten, der blutend und in Ketten vor ihn gezerrt worden war. Judas war kein geduldiger Mann, und er ließ Christus noch mehr bluten, ehe er mit ihm fertig war. Und als dieser seine Fragen nicht beantworten wollte, ließ er ihn voller Verachtung wieder auf die Straße werfen. Doch vorher befahl er seinen Wachen, Christus die Beine abzuhauen. „Heiler“, sagte er, „heile dich selbst.“
Dann kam die Reue, die Vision in der Nacht, und Judas Iskariot gab seine Krone, seine dunklen Künste und seine Reichtümer auf, um dem Mann zu folgen, den er zum Krüppel gemacht hatte. Gehaßt und verhöhnt von jenen, die von ihm tyrannisiert worden waren, wurde Judas die Beine des Herrn, und ein Jahr lang trug er Jesus auf dem Rücken in die entferntesten Gegenden des Königreiches, welches er einst regiert hatte. Als Jesus sich schließlich selbst heilte, ging Judas an seiner Seite, und von jener Zeit an war er sein getreuer Freund und Berater, der erste und vorderste der zwölf. Schließlich machte Jesus dem Judas das Geschenk der Zungen, rief die Drachen, die Judas einst weggeschickt hatte, zurück und segnete sie und schickte seinen Jünger auf eine einsame Mission über die Meere, „um mein Wort dort zu verbreiten, wohin ich nicht gehen kann“.
Es kam der Tag, da die Sonne dunkel wurde am Mittag und die Erde bebte, und Judas schwang seinen Drachen auf plumpen Flügeln herum und flog über die rasende See zurück. Doch als er in der Stadt Jerusalem ankam, fand er Christus tot am Kreuz vor.
In jenem Augenblick wankte sein Glaube, und in den nächsten drei Tagen fegte der große Zorn von Judas wie ein Sturmwind über Alt-Erde. Seine Drachen rissen den Tempel in Jerusalem nieder, vertrieben die Einwohner aus der Stadt und zerschlugen die Machtzentren in Rom und Babylon. Und als er dahinterkam, wie jener mit Namen Simon, genannt Peter, den Herrn dreimal verraten hatte, erwürgte er ihn eigenhändig und warf seinen Leichnam den Drachen vor. Dann sandte er die Drachen aus, damit sie in der ganzen Welt Feuer anzündeten, Scheiterhaufen für Jesus von Nazareth.
Und Jesus auferstand am dritten Tage, und Judas weinte, doch konnten seine Tränen den Zorn Christi nicht besänftigen, hatte er doch durch sein Rasen gegen alle Lehren des Herrn verstoßen.
Jesus rief die Drachen zurück, und sie kamen zu ihm, und überall erloschen die Feuer. Und aus ihren Bäuchen rief er Peter hervor und setzte ihn wieder zusammen und gab ihm Herrschaft über die Kirche.
Und dann starben die Drachen und mit ihnen sämtliche Drachen überall, denn sie waren das lebendige Siegel der Macht und der Weisheit von Judas Iskariot gewesen, der schwer gesündigt hatte. Und Christus nahm von Judas die Gabe der Zungen und die Kraft zu heilen, die er ihm gegeben hatte, und da jener wie ein Blinder gehandelt hatte, entzog er ihm sogar das Augenlicht (im Buch war ein hübsches Bild vom blinden Judas abgebildet, wie er sich weinend über die Kadaver seiner Drachen beugt). Und dann sagte er Judas, die Menschen würden sich an ihn für unendliche Zeiten nur als an den Verräter erinnern und seinen Namen verfluchen, und alles, was er gewesen war und getan hatte, würde vergessen werden.
Doch weil Judas ihn so sehr geliebt hatte, erwies Christus ihm noch eine Gefälligkeit: Er schenkte ihm ein langes Leben, damit er Gelegenheit hätte, zu reisen und über seine Sünden nachzudenken, um endlich doch noch Vergebung zu erlangen und dann erst zu sterben.
Und das war der Beginn des letzten Kapitels im Leben des Judas Iskariot, eines in der Tat sehr langen Kapitels. Der einst Drachenkönig, einst der Freund Christi gewesen war, war nun zum blinden Wanderer geworden, zum Außenseiter und ohne Freunde, der die kalten Wege der Erde wanderte, der lebte, da alle Städte, Menschen und Dinge, die er gekannt hatte, tot waren. Und Peter, der erste Papst und in Ewigkeit sein Feind, verbreitete in der Stadt und dem Erdkreis die Mär, Judas hätte den Herrn für dreißig Silberlinge
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