Kopernikus 1
nie Forderungen an ihn gerichtet hatte und warum sie es niemals ruhen lassen konnte … „Aber ich habe es nicht getan. Und weil ich es nicht getan habe, muß ich auch mit den Konsequenzen leben, nehme ich an. Ich muß mit der Tatsache fertig werden, daß wir beide auf diesem Schiff sind – zusammen.“ Mit schwacher Stimme. Sie umklammerte den Nahrungsmittelbehälter mit den Händen, als wäre er eine zurückgewiesene Gottesgabe, ein nutzloses Gebet um Verständnis. Sie trug ihn ungeschickt zu einem magnetischen Tablett und spürte, wie er auf der Oberfläche haftete, und wünschte sich, eine ähnliche Kraft würde ihr eigenes Leben stabilisieren und ihm Halt geben. „Was für Veränderungen hättest du denn gerne?“
Seine Kiefer mahlten. „Ich muß gelegentlich ein menschliches Gesicht sehen – deines muß genügen, da es das einzige hier ist außer meinem eigenen. Ich bitte dich ja nicht um deinen Körper, bei Gott …“ Er erwartete einen Protest, als sie ihren Mund öffnete. „… ich möchte nur die Mahlzeiten mit dir gemeinsam einnehmen. Das ist alles. Du mußt nicht einmal mit mir reden, wenn du mir nichts zu sagen hast.“
„In Ordnung.“ Sie nickte, und gleichzeitig fühlte sie eine gewaltige, unvorstellbare Erleichterung, die sie erfüllte. „Ich glaube, das ist nur fair.“ Sie wußte, daß es zugleich mehr als das und doch auch wieder weniger war. Sie trug das Essen, das sie gewärmt hatte, zum Tisch und setzte sich, nicht zu nahe bei ihm, aber auch nicht übertrieben fern. Sie zog die Kunststoffolie zurück; es handelte sich um gekochte grüne Bohnen, nichts weiter. Sie aß schweigend, und sein Blick verfolgte jeden ihrer Bissen. Als sie fertig war, trug sie den Behälter zum Müllschlucker. Sie hatte keinen Appetit mehr, um sich noch etwas warm zu machen. Mit selbstzufriedenem Nicken stieß sie sich ab, erhob sich wie ein Vogel, der Freiheit im Flug sucht.
„Ich sehe dich beim Abendessen.“
Sie sah ihn beim Abendessen, und von nun an dreimal in jeder Tagperiode, manchmal häufiger, wenn sie gemeinsam im Kontrollraum saßen und sie die Flugbahn auf das schwebende Ballett der Asteroiden des Hauptgürtels ausrichtete. Immer brachte sie – Wall gegen jeglichen Kontakt – ein Buch mit zu den Treffen und starrte blind auf die Seiten, während sie ihre geschmacklosen, blind gewählten Mahlzeiten einnahm. Aber einmal schließlich bot sie ihm das Buch an, um seiner starrenden Neugier zu entgehen, und weil sie dies getan hatte, mußte sie schließlich einer Diskussion über die Bedeutung der langweiligen Essays der Alten Welt über ökologische Bebauung zustimmen. Sie fand nie heraus, ob sein Interesse an diesem Thema wirklich größer war als ihr eigenes, doch ihr Appetit kehrte langsam zurück, zusammen mit ihrer Gabe, mühelos zu sprechen.
Aber noch immer fand sie keinerlei Enthusiasmus in sich, nur das schwache Akzeptieren der Dinge, die sie doch nicht ändern konnte. Gleichzeitig schwand Dartagnans Appetit, bis es schien, als lebte er nur noch von Sojamilch; sie sah ihn auch gelegentlich unbekannte Pillen schlucken. Sein Gesicht wurde hohlwangig, bittere Falten zogen seine Mundwinkel hinab. Sie begann sich zu fragen, ob er krank sei, aber wenn sie versuchte, ihm diesbezügliche Fragen zu stellen, bekam sie verneinende Antworten. Sie fragte nicht wieder, sondern zeigte lediglich Anzeichen neuen Unmuts.
Nach langer Zeit erreichten sie den Grenzbereich des Hauptgürtels, und sie korrigierte den Kurs, damit sie den Orbit des ersten Planetoiden, den sie entdeckten, kreuzten. Ihre Schirme zeigten ihnen nichts von Wert, kein Anzeichen, daß je ein menschliches Wesen einmal diesen taumelnden Brocken sonnengebleichten Felsens besucht hatte. Sie erkundeten einen weiteren Felsen und noch einen, während sie tiefer in diesen Felsstrudel eindrangen, doch keiner zeugte von menschlichem Leben oder zu erwartendem Profit. Erneut änderten sie den Kurs, um den ersten Planetoiden zu untersuchen, der namentlich in ihren Listen verzeichnet war – einen, der tatsächlich einmal bewohnt gewesen war –, nur um einen verbrannten Klumpen groben Gesteins zu finden, dessen Nähe die Nadeln ihres Geigerzählers tanzen ließ.
Unbeirrt machten sie weiter, drangen tiefer ein in die zerstörte Öde des Hauptgürtels, bewegten sich unaufhaltsam gegen dessen Strom, weiter und weiter weg von ihrem Ausgangspunkt und unweigerlichem Endziel. Sie inspizierten weitere Asteroiden, mit Namen versehen oder namenlos, und jede
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