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Kopernikus 1

Kopernikus 1

Titel: Kopernikus 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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mit ihrer eigenen Handschrift eine Antwort geschrieben hatte. Sie blätterte eine weitere Seite um, sofort fiel ihr die Handschrift eines Fremden unter ihrer eigenen auf. Sie hatte geschrieben: Es ist vielleicht einsam, tot zu sein; doch das kann nicht einsamer sein, als es ist zu leben. Und als Antwort hatte der Fremde geschrieben: Ja, ja, ja …
    Das Buch entglitt ihrer kraftlosen Hand, sie fühlte, wie ihr eigenes Gesicht tränenfeucht wurde. Sie weinte, wie sie noch niemals, soweit sie sich erinnern konnte, geweint hatte, füllte den leeren Raum mit ihrem Jammer, weinte um all die Jahre, in denen sie das Leben ferngehalten hatte, ließ die Verachtung der Welt auf sie einstürmen und sie verwunden. Sie weinte bis zur Erschöpfung und darüber hinaus und wußte doch, mit all dem Weinen konnte sie nicht den letzten Rest ihrer Reue wegwischen. Doch schließlich wurde ihr Körper leicht genug, um seine eigene Trägheit zu überwinden, sie verließ ihren Raum und durchquerte den Schacht erneut. Sie klopfte leise, dann etwas lauter an Chaims noch immer verschlossener Tür, aber er antwortete nicht. Daher stieß sie die Tür auf. Zuerst dachte sie, das Zimmer sei leer, bis sie ihn sah, begraben im Kokon seines Schlafsackes, der im Rahmen seines Bettes festgeschnallt war. Sie durchquerte den Raum, um sich zu vergewissern, daß er lediglich fest schlief.
    In der Luft lehnte sie sich ohne die Stütze eines Handgriffes zurück und betrachtete den Schlafenden; in der Lage zu beobachten, ohne selbst beobachtet zu werden, legte sie endlich im Angesicht seines verteidigungslosen Schlafes ihren Schild ab. Endlich in der Lage, die Vergangenheit zu sehen: die Fehler, die gesühnt waren, die korrigierten Irrtümer, soweit als menschenmöglich. Sie hatte die Vergangenheit die Gegenwart verdrängen lassen, bis kein Raum für ein neues Leben mehr blieb, für ein Morgen … Wen peinigte sie noch, außer sich selbst? Und warum? Wann endlich hatte sie genug gelitten …
    O Gott, gibt es nur ein menschliches Wesen, das sich nicht haßt, selbst haßt (mit einem Blick auf Chaims schlafendes Gesicht), aus tiefstem Herzen? Nur indem wir am Leben sind, verraten wir uns selbst und werden verraten … Und nur wir selbst können das beenden.
    Chaim wehrte sich gegen das Erwachen, der Schlafsack spannte die Halterungen, die ihn im Gleichgewicht hielten.
    „Chaim.“ Ihre Stimme schüttelte ihn sanft.
    Seine Augen öffneten sich, er starrte blind zur Wand.
    „Chaim …“
    Er wandte seinen Kopf, Körper und Schlafsack sträubten sich gegen sie. Der leere Ausdruck verschwand nicht von seinem Gesicht, als er ihrer Gegenwart gewahr wurde. Schweigend sah er sie an.
    „Wie geht es dir?“
    Er schnitt eine Grimasse, zu ihr oder zu sich selbst, das konnte sie nicht sagen. „Ich weiß nicht.“
    „Mir geht es besser.“ Sie schaute hinunter. „Besser, als es mir seit langer Zeit gegangen ist, denke ich.“
    Das Nichtverstehen kehrte zurück, mit einem kühlen, widerstrebenden Ton. Und doch war irgendwo ein Flämmchen des Verstehens, das sich zu einem Feuer ausweiten konnte …
    Sie atmete schwer, aus Angst, nun in der Dunkelheit allein gelassen zu werden. „Ich habe gelesen, was du in mein Buch geschrieben hast.“
    Langsame Überraschung erhellte sein Gesicht. „Ja?“ Er befreite sich teilweise von dem Schlafsack.
    Ein Nicken. „Wenn du einsam bist, fühlst du dich, als wärst du der einzige …“ Sie schlang ihre Hand um eine der Streben.
    Sein Lachen war sanft und unerwartet. „Du bist einsam.“
    Ihr Mund entspannte sich, sie fühlte, wie er sich zu einem Lächeln formte. Sie hob ihre freie Hand, um die Fremdheit ihres Gesichtes zu fühlen, die Linien des Lächelns, die Aufgedunsenheit, die noch an ihren Kummer erinnerte. „Chaim – ich hasse mich nicht länger selbst. Zumindest nicht mehr auf dieselbe Weise, wie ich mich seit Planet Zwei gehaßt habe.“
    Er zog an dem Reißverschluß seines Schlafsacks und teilte seinen Kokon. „Bedeutet das, ich kann ebenfalls aufhören, mich zu hassen?“
    Sie blinzelte. „Ja … ich glaube, das bedeutet es.“
    Er suchte ihre Augen, um ihre Gedanken zu lesen, und sie antwortete ihm, ohne Furcht. Er stieß sich von seinem Bett ab, ein erlöster Mann. „Also, Partner?“ Er streckte ihr seine Hand hin.
    Sie nickte, nahm seine Hand und drückte sie kurz, ehe sie sie wieder losließ. Sie spürte seine Wärme in ihrer Handfläche.
    Er überkreuzte seine Arme auf seinem Overall und sah hinaus zum

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