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Kopernikus 1

Kopernikus 1

Titel: Kopernikus 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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entsetzter Faszination verweilten ihre Augen auf den formlosen Lumpenbündeln, als der Lichtkegel der Lampe ihrem suchenden Blick das Weiß von Knochen enthüllte, die glatte weiße Wölbung eines Schädels, die starrende Schwärze der Augenhöhlen.
    Sie drehte sich plötzlich in der Luft, in dem Versuch, ihre Vorwärtsbewegung zu stoppen, doch da sie nichts hatte, um ihren Flug zu stabilisieren, prallte sie mit einem Fluch gegen die metallene Tischplatte. Das Echo ihres Zusammenpralls und ihr Schrei wurden von den weichen Wänden aufgesogen, und erneut umfing der Raum sie mit Stille. Chaim hing noch immer an der weiter entfernten Seite, als könne er sich nicht dazu durchringen, sich den Toten zu nähern.
    Sie richtete sich an der Tischkante auf und betrachtete die Gegenstände, die sie umgeworfen hatte und die nun einen langsamen Tanz um sie herum vollführten: leere Behälter, Reste vertrockneter Nahrung, ein verrostetes Messer, ein langer, schmaler Knochen … wahrscheinlich ein Oberschenkelknochen. Sie schnappe nach dem Messer und fing es aus der Luft. „Was glaubst … was denkst du … tötete … woran könnten sie gestorben sein?“ Sie haßte sich selbst, als sie diese Frage stellte.
    „Verhungert wahrscheinlich. Das ist der übliche Grund.“ Die Worte waren sehr sanft. Seine Arme überkreuzten sich über seinem Magen, was sie für Mitgefühl hielt. Sie erinnerte sich, daß er solche Szenen über und über gesehen haben mußte, während er mit seinem Vater zusammen schürfte. Er sagte nichts weiter; sie beobachtete ihn, wie er den bogenförmigen Aufstieg des bleichen Knochens verfolgte, der sich in der Luft überschlug.
    „Wer diese Leute wohl waren? Wer möchte denn in einer … einer Müllkippe leben, ohne jemals etwas wegzuwerfen? Waren sie verrückt?“ Noch immer gefangen von der Faszination des Bizarren, war sie erschrocken über ihre Unfähigkeit, die Augen zu schließen oder wegzusehen.
    „Natürlich waren sie das. Was, zum Teufel, können sie sonst gewesen sein?“ Seine Stimme war dünn, hart und drahtig. „Genau wie wir, weil wir überhaupt hierhergekommen sind. Hier ist nichts. Laß uns gehen.“
    Überrascht sah sie sich zu ihm um. „Aber wir sind doch gerade erst angekommen. Schau, es gibt hier doch auch noch andere Räume …“ Sie deutete auf die unebenen Wände, die engen Türen, die einen Weg in eine andere unbekannte Dunkelheit boten.
    „Vergiß es. Dort werden wir auch nichts anderes finden. Es gibt nichts in diesem Loch außer Tod und Müll.“ Er begann, sich zum Ausgang zu ziehen.
    „Verdammt, ich habe meinen Teil erfüllt, indem ich uns hergebracht habe. Wir werden erst dann gehen, wenn ich ganz sicher bin, daß wir hier nichts finden werden.“ Sie schwang drohend das Messer, das sie noch immer unbewußt mit ihren Händen umklammert hielt.
    Sein Körper erstarrte in ärgerlicher Überraschung oder in Angst. Sie ließ das Messer los und stieß es verlegen von ihnen weg. Dann bewegte sie sich entschieden in eine andere Richtung, dem ersten Eingang entgegen. Als sie dort angekommen war, sah sie, zurückblickend, ihn noch immer bewegungslos an derselben Stelle. „Nun, wirst du mir helfen?“
    Er schüttelte den Kopf, sein Helm funkelte in ihrem Lichtstrahl. Seine Hände drückten noch immer gegen seinen Magen. „Nein – wenn du dich umsehen willst, bitte. Ich nicht.“
    Wortlos drehte sie sich um und zog sich in die Öffnung.
    Der dahinterliegende Raum war ebenfalls randvoll mit Ausdrucken, sie hatte kaum Platz genug, um sich in der klaustrophobischen Enge umzudrehen und die Kammer wieder zu verlassen. Chaim beobachtete schwebend, wie sie wortlos zum nächsten Zugang driftete. Dahinter fand sie noch mehr Papier, doch fand sie auch zahllose Kopien von Vorkriegsillustrationen, alle säuberlich in Schachteln eingeordnet. Sie versuchte, eine von ihnen herauszuziehen, um festzustellen ob sie einen historischen Wert besaßen, doch die Blätter klebten zusammen, wahrscheinlich aufgrund einer chemischen Reaktion zwischen Papier und Tusche.
    Angewidert warf sie die Blätter weg. Eine Erinnerung erschien in ihrem Gehirn wie aufgewirbelter Staub: Einsiedler. Sie hatte schon über solche Leute gelesen, und so wurden sie genannt; Leute, die sich sowohl physisch als auch psychisch in ihre eigene, private Welt zurückzogen. Die schreckliche Heiterkeit dieser lähmenden Furcht brachte ihren Körper zum Zittern – das Höchstmaß an Freiheit, das Höchstmaß an Sicherheit, der

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