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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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zwei­ten oder drit­ten Mal; ich ha­be ge­schla­fen und ge­wacht, ge­schla­fen und ge­wacht, bis ich nicht mehr wuß­te, wel­che Stim­men Träu­me wa­ren und wel­che, wenn über­haupt, Wirk­lich­keit. Ich spü­re einen Stich. „Ruh dich jetzt aus. Du hast einen lan­gen Schlaf hin­ter dir.“
    Ich er­in­ne­re mich dar­an, wie ich zum ers­ten Mal auf­ge­wacht bin. Das wei­ße Zim­mer, wei­ßes Zeug über mir. Drau­ßen Schwär­ze und die blau­wei­ße Schei­be.
    „Auf dem Mond“, sa­ge ich. Mei­ne Glie­der füh­len sich schwer an. Mir ist schwind­lig. Der Schlaf zerrt an mei­nem Fleisch. „Der Mond.“
    „Ist es nicht wun­der­bar?“
    „Und Tu­ka, mein Mann, sa­gen Sie – tot.“
    Sie preßt die Lip­pen zu­sam­men und sieht mich ernst an. „Er hat den Schlaf nicht über­stan­den.“
    „Der Mond ist hohl“, er­klä­re ich ihr. „Das weiß doch je­der. Die To­ten schla­fen dort.“ Ich star­re die De­cke an. „Ich bin am Le­ben und auf dem Mond. Tu­ka ist tot, aber er ist nicht hier.“ Die Wor­te schei­nen aus mei­nem Mund zu schwe­ben. An der De­cke sind klei­ne Fle­cken.
    „Schlaf jetzt, sei ein bra­ves Mäd­chen. Spä­ter un­ter­hal­ten wir uns wei­ter.“
    „Und Kua­ra. Mein Sohn. Er lebt.“ Die Fle­cken dre­hen sich. Ich schlie­ße die Au­gen. Die Fle­cken dre­hen sich noch im­mer.
    „Ja, aber …“
    „Vor et­wa hun­dert Jah­ren wur­de ein Ge­setz zum Schüt­ze ge­fähr­de­ter Ar­ten er­las­sen – al­so von Tie­ren, die aus­ster­ben könn­ten, wenn der Mensch nicht sehr auf­paß­te“, er­zählt Dok­tor Ste­fan­ko. Ihr Ge­sicht ist nicht mehr ver­schwom­men. Sie hat grau­es Haar und ha­ge­re Wan­gen. Ir­gend­wo ha­be ich sie schon ge­se­hen – lan­ge be­vor ich an die­sen Ort ge­bracht wur­de. Aber mir fällt nicht ein, wo das war. Die Er­in­ne­rung glei­tet im­mer wei­ter weg.
    Gai steht grin­send am Fens­ter. Er trägt einen Len­den­schurz. Das, was Dok­tor Ste­fan­ko die Er­de nennt, um­gibt als leuch­ten­de Schei­be sei­nen Kopf. Durch die Lücke zwi­schen sei­nen Vor­der­zäh­nen schaut sei­ne rie­si­ge, nar­bi­ge Zun­ge her­vor. Sei­ne Schul­tern fal­len ab wie die ei­nes Har­te­beest. Auf sei­ner le­de­ri­gen, runz­li­gen Brust wach­sen er­grau­en­de Haar­bü­schel. Nach sei­nem Ver­rat bin ich nicht er­staunt, ihn hier zu se­hen. Er bringt das Num in mei­ner Ma­gen­gru­be zum Pul­sie­ren. Ich schaue weg.
    „Dann wur­de das Ge­setz da­hin­ge­hend er­wei­tert, daß es ge­fähr­de­te Völ­ker ein­be­zog. Völ­ker wie die Gwi.“ Dok­tor Ste­fan­ko setzt ein müt­ter­li­ches Lä­cheln auf und stupst mir mit dem Zei­ge­fin­ger auf die Na­se. Ich wer­fe den Kopf zu­rück. Sie run­zelt die Stirn. „Na­tür­lich war es nicht mög­lich, gan­ze Stäm­me zu ret­ten. Al­so ta­ten die Ur­he­ber des Ge­set­zes, was sie für das Bes­te hiel­ten. Sie ret­te­ten be­stimm­te Ex­em­pla­re. Dich. Dei­ne Fa­mi­lie. Ein paar an­de­re wie Gai. Die­se Ver­tre­ter wur­den ein­ge­fro­ren.“
    „Ein­ge­fro­ren?“
    „Kalt ge­macht.“
    „So wie in der Gum-Zeil, wenn sich in den Strau­ßen­ei-Ka­nis­tern Eis bil­det?“
    „Noch viel käl­ter.“
    Das war al­so kein Traum. Ich er­in­ne­re mich, daß ich durch et­was Blau­es, Glän­zen­des, Zer­knit­ter­tes ge­st­arrt ha­be. Wie Licht, das man durch ei­ne Schlan­gen­haut sieht. Ich konn­te mich nicht be­we­gen, ob­wohl ich im In­ne­ren die gan­ze Zeit zit­ter­te. Das ist al­so der Tod, hat­te ich ge­dacht.
    „ In der Zwi­schen­zeit wur­det ihr hier­her auf den Mond ge­bracht. Nach Car­ni­val. Es ist ein schö­ner Ort. Ei­ne wirk­lich in­ter­na­tio­na­le Ein­rich­tung, er­baut als Wahr­zei­chen für die Har­mo­nie der Völ­ker. Hier ha­ben wir uns be­müht, von dem, was war, das Bes­te neu zu schaf­fen.“ Sie hält in­ne, und ihr Blick wird scharf. „Hier wird jetzt dei­ne Hei­mat sein, U“, sagt sie .
    „Und Kua­ra?“
    „Er wird hier mit dir le­ben, wenn es so­weit ist.“ Et­was in ih­rer Stim­me ruft Furcht in mir wach. Dann sagt sie: „Möch­test du ihn se­hen?“ Ein Teil der Furcht ver­schwin­det.
    „Ist das rat­sam, Dok­tor?“ fragt Gai. „Der hier ist nicht zu trau­en.“ Sei­ne Au­gen grin­sen auf mich her­un­ter. Er

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