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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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dar­an ge­dacht, der Ge­fahr aus dem Weg zu ge­hen. Wenn die Rea­li­tät von in­nen nach au­ßen ge­krem­pelt wird wie ei­ne schmut­zi­ge So­cke, dann se­hen Sie zu, oder Sie sind we­ni­ger als mensch­lich. Al­so schau­ten wir uns al­les an, von An­fang bis En­de: zwei Stun­den, die zu ei­ner Se­kun­de wur­den, Ewig­kei­ten lang. Wie ein Pho­to der Zeit, ver­dreht zu ei­nem Schrei – und der Schrei hall­te end­los wei­ter, und doch er­leb­te man ihn oh­ne je­de Dau­er.
    Wir re­de­ten nicht. Wir konn­ten nicht re­den – die Mo­le­kü­le der Luft kreisch­ten zu laut, und das tie­fe Brül­len der Ex­plo­sio­nen war wie ein fort­wäh­ren­der Trom­mel­wir­bel – aber wir hät­ten auch dann nicht ge­re­det, wenn es uns mög­lich ge­we­sen wä­re. In der Ge­gen­wart ei­nes wü­ten­den Got­tes re­det man nicht. Manch­mal sa­hen wir ein­an­der kurz an. Un­se­re Ge­sich­ter wa­ren al­le fast iden­tisch: asch­grau, wäch­sern, mit gla­si­gen Au­gen, aus­drucks­los und ver­lo­ren wie blei­ches Treib­holz, das die Flut auf den Strand ge­spült hat. Wir wa­ren durch die Ska­la der Aus­drucks­mög­lich­kei­ten bis in die Ex­tre­me ge­trie­ben wor­den: ric­tus, die Ge­sich­ter so ver­zerrt und an­ge­spannt, daß sie schmerz­ten, und dann der quie­tus des Schock­zu­stan­des, die Mus­keln so schlaff und kraft­los, daß sie nicht mehr rea­gier­ten. Wir sa­hen ein­an­der nur ei­ne Se­kun­de lang an, faß­ten uns kaum wirk­lich ins Au­ge, bei­na­he oh­ne et­was wahr­zu­neh­men, und gleich wur­den un­se­re Bli­cke wie­der wie durch einen Ma­gne­ten auf das Feu­er ge­zo­gen.
    Zu An­fang hat­ten wir uns an­ein­an­der­ge­klam­mert, aber als die Schlacht ih­ren Fort­gang nahm, rück­ten wir lang­sam aus­ein­an­der und ver­kro­chen uns in in­di­vi­du­el­le Pein. Das Ding war so groß, daß mensch­li­che Wär­me nichts be­deu­te­te, es war so schreck­lich, daß der In­stinkt, der uns schutz­su­chend zu­sam­men­ge­trie­ben hat­te, sich ins Ge­gen­teil ver­kehr­te und daß die Ge­gen­wart der an­de­ren nur die Er­kennt­nis der ei­ge­nen, ab­so­lu­ten Nackt­heit noch in­ten­si­ver wer­den ließ. Vor­her hat­ten wir einen Streu­schirm auf­ge­baut, um den schlimms­ten Teil der har­ten Strah­lung aus­zu­fil­tern – Gam ma­strah­len und in­ten­si­ve In­fra­rot- und Ul­tra­vio­lett­strah­lung – und auf die­se Wei­se Hit­ze, Er­schüt­te­rung und Lärm we­nigs­tens teil­wei­se ab­zu­weh­ren. Wir glaub­ten ei­ne faire Chan­ce zum Über­le­ben zu ha­ben, aber weg­lau­fen konn­ten wir nicht. Wir wa­ren wie ge­bannt durch die Schön­heit des Grau­ens/das Grau­en der Schön­heit, als hät­te man uns einen Pfahl durch das Rück­grat ge­trie­ben und uns am Fels­bo­den fest­ge­na­gelt .
    Und jen­seits des Vor­ge­bir­ges tanz­te Gott in sei­nem Zorn, und sei­ne Fü­ße zer­stampf­ten den Bo­den zu Asche.
    Wie es war?
    Auf Kos gibt es noch Ozea­ne und Stür­me. Ha­ben Sie schon ein­mal ge­se­hen, wenn ein wü­ten­der Wind die See peitscht? Der Sturm läßt das Was­ser zu Schaum auf­bro­deln, er schlägt es, bis es weiß ist, bis es aus­sieht wie ein Meer von zer­fetz­ter Spit­ze bis zum Ho­ri­zont, wie wir­beln­de Stru­del von Milch, bis der letz­te Rest von Blau ver­nich­tet ist. So sah das Land aus, in D’kot­ta. Die Hü­gel be­weg­ten sich. Die Quä­sto­ren hat­ten einen Dis­kon­ti­nui­täts-Pro­jek­tor dort, und un­ter sei­nen Peit­schen­hie­ben rühr­te sich die Er­de wie trä­ger Teig un­ter dem Löf­fel des Bäckers; sie be­weg­te sich, er­schau­er­te, stöhn­te, riß auf und zer­brach. Fel­der ho­ben sich zu Ber­gen, und an­de­re stürz­ten in tie­fe Ca­n­ons.
    Stel­len Sie sich einen Rie­sen vor, der knapp un­ter der Erd­ober­flä­che schläft und Träu­me aus Fels und Kris­tall träumt. Stel­len Sie sich vor, wie er sich un­ru­hig be­wegt, wie ein Alp­druck den trä­gen Rhyth­mus sei­ner Träu­me durch­bricht, so daß er sich stöh­nend hin und her wirft und das Un­be­ha­gen in vi­brie­ren­den Wel­len über sei­nen mei­len­lan­gen Kör­per zieht. Stel­len Sie sich vor, wie es ihn plötz­lich in ein angst­er­füll­tes Be­wußt­sein schleu­dert, wie er un­ver­mit­telt

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