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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Mohawk, ein Mann um die Vierzig, einer von den rundgesichtigen, mongolisch aussehenden Typen, sah ihn ausdruckslos an und murmelte, ohne die Lippen übermäßig zu bewegen:
    „Wir wollen nach oben, wollen auf den Stationen arbeiten. Wir sind die besten Arbeiter am Himmel. Der Himmel ist unser aller Himmel. Seine Balken werden die Mohawks gut tragen. Wir haben es erfahren.“
    Sein Englisch war stockend, er sprach, als übersetze er aus der Sprache seiner Vorfahren, mühsam den leeren Bedeutungen ihm fremder Wörter nachsinnend. Der Himmel war in seinem Kopf fest verankert.
    Brennan erinnerte sich, von Berichten der Bundesanstalt gehört zu haben, in denen die Indianer als hervorragend geeignet für den Stahlhochbau erwähnt wurden. Man hatte ihre Schwindelfreiheit lobend erwähnt, ebenso wie ihre gut aufeinander eingespielten Arbeitskollektive. Darüber hinaus hatten sie sich auch als genügsam, das heißt, mäßig interessiert an Fragen ihres Lohnes, gezeigt, … aber, das alte Aber des weißen Amerikaners, der es nie verstanden hatte, die Indianer zu verstehen, aber, kam es Brennan in den Sinn, unzuverlässig, wenn es darum ging, Verträge termingerecht zu erfüllen und einzuhalten.
    Ein nächtlicher Traum eines Häuptlings – und schon war ein Arbeitskollektiv über Nacht verschwunden. Unterwegs auf den Highways zu einer anderen Baustelle. Überzeugt davon, gebraucht zu werden.
    Das Geld war denen doch kein wichtiger Antrieb. Nur wenn die Arbeit Spaß machte, wenn sie gefährlich war, wenn sie hinterher damit prahlen konnten, dann arbeiteten sie wie Besessene.
    „Und wenn es euch oben nicht gefällt“, fragte Brennan. „Wohin – … wohin wollt ihr dann abhauen? – Da oben?“
    Der Mohawk sah ihn starr an.
    „Es gefällt uns überall da oben, sonst würden wir nicht hinfahren. Die Stationen sind wie die Moskitos über dem Feuer. Ihr habt uns die Erde, unsere Mutter, gestohlen und verunreinigt“ (er spuckte auf den Boden). „Grenzen sind eure Erfindung. Wir haben Brücken gebaut, um Ströme zu überqueren, wir stoßen in den Himmel vor, weil ihr uns die Erde zu eng gemacht habt. Wir werden die Himmel überbrücken, wie wir die Ströme überbrückt haben. Langsam geht die Schildkröte zum Wasser, das überall fließt. Ihr habt immer noch nicht gelernt, mit euren toten Händen umzugehen. Sie schlagen euch selbst ins Angesicht. In euren Händen stirbt eure Vergangenheit, erblindet die Zukunft. Gebt uns eure toten Hände, damit sie den Menschen endlich wieder Ruhm und Freude bringen.“
    Nach dieser Rede, von der Brennan nur Bruchteile verstand und die ihn verwirrte, drehte der Mohawk sich um und verließ das Büro. Draußen schlossen sich einige Männer und Frauen ihm an, die ihn begleitet hatten. Eine junge Frau mit kurzen Haaren streckte Brennan frech die Zunge heraus.
    Brennan fuhr sich über die Stirn. Er ging an seinen Schreibtisch zurück und trank aus seinem lauwarmen Kaffeebecher. Er wußte, der Mohawk würde wiederkommen. Sie, diese Indianer kannten kein Recht auf Eigentum und Besitz. Ihnen gehörte alles. Das Land, der Himmel, die Sterne und die Maschinen des weißen Mannes. Konnte er es verantworten, Leute nach oben zu schicken, die nicht mal die Sprache richtig beherrschten? Herrschten sie überhaupt über etwas, oder lebten sie nur so dahin? Leute, die mit Verträgen auf Kriegsfuß standen. Kriegsfuß, was ist denn das nun wieder? Das stammt doch bestimmt von denen. Und wir haben sie Indianer genannt. Ein folgenschwerer Irrtum. Sicher, weil ein Herr Christoph Columbus einen Erfolg vorzeigen mußte, um seine Gläubiger und Auftraggeber zufriedenzustellen. Brennan nahm den Telefonhörer ab, starrte verbittert auf den Vidphon-Schirm und ließ sich mit seinem Vorgesetzten verbinden. Der Vorgesetzte grinste, als er Brennans zerknittertes Gesicht sah. Der hat gut grinsen, dachte Brennan und brachte vor, was er noch von der Rede des Mohawks im Kopf behalten hatte. Der Vorgesetzte schien seinen risikofreudigen Tag zu haben und meinte, als leiere er einen Spruch aus der letzten Beraterschulung herunter:
    „Warum denn nicht, Brennan? Sie sind doch sonst ein Draufgänger. Jag sie nach oben, die Kerle. Überlaß ihnen den Aufbau einer Station. Wir sind seit Jahrhunderten mit ihnen fertig geworden. Nur nicht so zaghaft.“
    Damit hängte der Vorgesetzte ein, sein Gesicht war gelöscht, und der Bildschirm hörte auf zu flimmern.
    Entscheidungsfreudig. Bereit zu Innovationen. Brennan blieb skeptisch.

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