Kopernikus 6
öffnete. Ihr Helm stand offen und schwebte hinter ihr, als sie sich hüpfend und gehend zum Kontrollraum vortastete. Wenn die Motoren noch immer funktionierten, würde sie sie jetzt anwerfen. Sie zögerte nicht mehr. Etwas war schiefgegangen und hatte die Lage völlig verändert.
In der Mitte des kilometerbreiten Janacki-Pol-Kraters spie das Bohrloch noch immer Trümmer ionisierter Teilchen aus. Um den Rand herum traten jedoch andere Kräfte in Aktion. Kanister mit Reaktionsmasse flogen auf einen Punkt drei Kilometer über dem Kraterboden zu. Die Beckman-Antriebe rotierten in ihren Lagern, ihre Wirbel richteten sich auf den Treffpunkt der Kanister.
Porters Schiff folgte dem Trümmerschwanz bis zum Kraterboden. Er konnte geometrische Muster von Dämmstoffen ausmachen. Seine Computer teilten ihm mit, daß sich hundert Meter unter ihm etwas näherte. Es blieb keine Zeit für eine zweite Vermutung. Er richtete die Hauptladung ein und lehnte sich im Sitz zurück, die Lippen bewegten sich, sie wiederholten eine zufällige, elegante Zeile aus einem Roman von Burgess, ein letztes Vergnügen.
Einer der Kanister traf den Transporter auf der Seite, gerade als die Explosion einsetzte. Ein brillianter Flammenschein breitete sich über den Krater aus, verschmolz mit ihm und verdrehte den Schweif der inneren Sprengladungen. Vier Kanister wurden aus ihrer Bahn geschleudert und wirbelten in den Weltraum hinaus. Die übrigen sechs trafen am vorausbestimmten Punkt zusammen und wurden von den Schwingungsknoten des Beckmann-Antriebs erfaßt. Ihre Materie wurde in reine Energie verwandelt.
Das Ganze stürzte von einer Seite teilweise gegen den Kraterboden und beschleunigte den Asteroiden etwas.
Als das Rütteln abnahm, ließ Turco die Brechstange los und befragte die Computer. Sie erhielt keine Antworten. Alle außer den unbedingt lebensnotwendigen Einrichtungen waren außer Betrieb. Sie dachte kurz daran, zu ihrem Fährboot zurückzukehren, sofern es noch immer an seinem Platz war, aber es gab keinen Ort, wohin sie sich wenden konnte. Aus diesem Grunde begab sie sich kriechend und schwebend zu einem breiten Aussichtsfenster im Speisesaal der Blase. Die Erde ging wieder über dem Vlasseg-Pol auf, füllte die halbe Sicht aus, Sturmwirbel und Streifen brauner Kontinente drehten sich langsam vor ihr. Sie fragte sich, ob es gereicht hatte. Sie hatte ein schlechtes Gefühl gehabt. Es gab eine Methode, wie sie sich Gewißheit verschaffen konnte, aber die Erde sah viel zu nah aus.
„Meiner Meinung nach ist Psyche zu nahe“, meinte der Präsident und stand absichtlich mit dem Rücken zu Kollert. „Sie wird über Grönland hinwegziehen, hoffentlich nur die Ausläufer der Atmosphäre streifen, vielleicht Teile von sich verlieren.“
Die Offiziere der Antiterrortruppe packten die Koffer und flüsterten dabei miteinander. Drei der Leibwächter des Präsidenten schauten mit glasigen Augen auf den Schirm. Dieser war leer, vom sekundenlangen Aufblitzen vor dem Erscheinen eines Bildes abgesehen. Gestina schlief mit friedlichem Gesicht im Stuhl neben Kollert, die Hände hatte sie im Schoß verschränkt.
„In ein paar Minuten treffen über eine Relaisstaion Bilder aus Grönland ein“, sagte der Präsident. „Das wird ein Anblick.“ Kollert runzelte die Stirn. Der Mann wirkte beinahe gelöst, denn er wußte, daß ihm nichts passieren würde. Selbst wenn das Überleben ungewiß war, würde seine Regierung Erklärungen vorbereiten. Kollert konnte die Geschichte voraussagen: Eine Bande von lose mit Giani Turcos Vater und seinen rabiaten Weltraumfahrern verbündeten Terroristen war für alles verantwortlich. Das würde auf dem Mond einige Monate lang böses Blut machen, aber der Nexus hätte zumindest seine Sündenböcke.
Ein Kommunikator im Raum fing zu pfeifen an, und Kollert blickte sich nach der Quelle um. Einer der Sicherheitsbeamten griff in die Tasche und holte einen kleinen Pfropfen heraus, den er sich ins Ohr steckte. Er hörte ein paar Sekunden lang zu, runzelte die Stirn und nickte dann. Die anderen zwei scharten sich eng um ihn und flüsterten miteinander.
Dann verließen sie ruhig den Raum. Der Präsident bemerkte nicht, daß sie weg waren, aber für Kollert sprach ihre Abwesenheit Bände.
Eine Minute später kamen sechs Nexus-Polizisten herein. Einer stellte sich neben Kollerts Sessel, ohne ihn anzusehen. Vier warteten bei der Tür. Ein anderer näherte sich dem Präsidenten und berührte ihn an der Schulter. Der
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