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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Gröbste blieb ihm erspart. Verschwommen fragte ich mich, weshalb ich dies alles tat. Warum willst du jemandem {etwas, verbesserte ich mich nervös) Schmerzen ersparen, wenn du ihn (es) sowieso gleich töten mußt? Was kann das schon für einen Unterschied machen? Ich stellte diese Frage zurück und konzentrierte mich auf die Bewegungen meines Körpers. Das Null war nicht schwer, aber es war auch nicht gerade leicht, es den Hang hinaufzuschleifen, vor allem, wenn es alle paar Meter stolperte und hinfiel und ich es wieder auf die Füße stellen mußte. Nach kurzer Zeit brach mir der Schweiß aus, aber das war mir gleichgültig, denn die Aktivität beschäftigte meine Gedanken, und ich wollte mich nicht noch einmal diesem tauben Gefühl ausliefern, das sich spürbar wieder näherte.
    Wir stiegen bergauf, bis wir uns etwa zehn Meter über dem Graben befanden, in dem Heynith und Goth kauerten. Hier schien ein guter Fleck zu sein. Das Gebüsch war fast brusthoch, hoch genug also, um den Körper des Nulls so zu verbergen, daß er auch aus der Luft nicht mehr zu sehen war. Ich blieb stehen. Das Null prallte blind gegen mich, es lehnte sich an mich, und sein Atem rasselte an meinem Ohr. Die Berührung ließ mich vor Grauen erschauern. Eine Gänsehaut überlief meine Arme und Beine und verbreitete sich über meinen ganzen Körper. Irgend etwas rief eine wispernde Erinnerung in mir wach, doch ich ignorierte sie angesichts der aufsteigenden Panik. Meine Schulter wand sich unter dem Gewicht des Nulls und schüttelte es ab. Das Null rutschte ein Stück weit den Hang hinunter, fast wäre es gestürzt, doch es fing sich wieder.
    Keuchend beobachtete ich es. Die Erinnerung kehrte zurück, unaufhörlich nagend. Diesmal drang sie durch:
    Mason, der durch die von der See umspülten Felsen von Cape Itica auf den wartenden Torpedotaucher zuhastete, während hinter ihm das Feuer zum Himmel schlug und die Schatten überstrahlte. Mason, der nicht schnell genug über eine Klippe sprang, der zu lange auf dem scharfen Riff balancierte und sich allzu deutlich vom Himmel abhob. Mason, der sich ruckartig straffte, als der Fusionsstrahler von den Uferklippen aus seine Wirbelsäule auflöste und sein Fleisch wie Wachs zerschmelzen ließ. Mason, der in meine Arme stürzte, so daß ich fast in die Knie sank. Mason, schon tot, schwer in meinen Armen, schwer in meinen Armen. Mason, der mir entrissen wurde, als die Brandung über uns zusammenbrach und mich mit Gischt überflutete. Mason, der versank, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte, während Heynith mich brüllend zur Eile trieb, und ich kämpfte mich durch die brusthohe Brandung auf den Torpedotaucher zu …
    Das war es, woran das Gewicht des Null mich erinnert hatte: Mason, schwer in meinen Armen.
    Verwirrung und Angst und Übelkeit.
    Wie konnte das Null mich an Mason erinnern?
    Kranke Wut gegen mich selbst, weil mein Geist Mason, so sanft wie der Traumvater, den ich nie gehabt hatte, mit etwas so Abstoßendem wie dem Null vergleichen konnte.
    Wut strahlte auf und versuchte, Scham und Schuldgefühle fortzuwischen.
    Ich konnte es nicht ertragen. Ich ergoß es über das Null.
    Knurrend sprang ich vor, schüttelte es wütend, bis der Kopf mit klappernden Zähnen auf dem schwachen Hals hin und her taumelte, ich packte es bei den Schultern und prügelte es auf die Knie.
    Ich riß mein Messer heraus. Die Klinge blitzte im Sternenlicht auf.
    Ich schlang meine Hand um seine Kehle, um seinen Kopf zurückzubiegen.
    Sein Fleisch war warm. Ein Puls pochte in meiner Handfläche.
    Im nächsten Augenblick war meine Wut verflogen, und nur Übelkeit bleib zurück.
    Plötzlich merkte ich, wie kalt die Nacht war. Der schneidende Wind drang bis in die Knochen.
    Es sah mich an.
    Ich nehme an, ich hatte Glück gehabt. Waisen sind heute nicht mehr so verbreitet wie früher – nicht in einer Gesellschaft, die die Fortpflanzung den Laboratorien übergeben hat, aber es gibt sie mit einiger Regelmäßigkeit immer noch. Ich war der Sohn eines ungeklonten Junior-Oberen gewesen, der in enorme Kreditschulden geraten, bankrott gegangen und zahlungsunfähig geworden war. Das Kombinat hatte einen Klon von ihm geschnitten, dessen Arbeitsleistung die Bilanz seines Kontos ausgleichen sollte. Dann hatte man die höheren Bereiche seines Gehirns ausgebrannt und ihn in eine der Strafabteilungen für Nichtbewußte in den Kontrollierten Bezirken gesteckt. Seine Frau wurde gleichfalls geklont, aber die Hirnausbrennung blieb ihr erspart,

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