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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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besaß es nicht. Das Fleisch unterhalb des Brustkorbs war seltsam eingefallen: kein Magen und kein Verdauungstrakt. Der Körper war übersät mit Wunden, Schnitten und Kratzern, die sengende Sonne hatte großflächige Verbrennungen zweiten Grades hinterlassen, an anderen Stellen fanden sich schwere Frostbeulen und üble Erfrierungen, die die Blätter der Nachtpflanzen verursacht hatten.
    Mein Staunen wuchs und vertiefte sich zu einer archaischen Furcht.
    Es war aus D’kotta, daran gab es keinen Zweifel. Irgendwie hatte es die Zerstörung seines Cerebrums überlebt, irgendwie war es durch die brodelnde Hölle bis zu den Bergen gelaufen, und irgendwie hatte es sich den Steilhang hinauf und über den Bergkamm schleppen können. Ich bezweifelte, daß sein Handeln planmäßig gewesen war. Wahrscheinlich war es einfach blind in einer geraden Linie von dem zerstörten Cerebrum fortgegangen und nicht mehr stehengeblieben. Sein Verhalten an dem Geröllhang hatte gezeigt, wie es das gemacht hatte. Vielleicht hatten seine trüben Instinkte ihm auch bis dahin geholfen, Hindernisse auf seinem Weg zu umgehen, aber jetzt war es erschöpft, erlahmt und ratlos. Es war ein Wunder, daß es überhaupt so weit gekommen war. Und die Qualen, die es auf seiner Wanderung durchgemacht haben mußte, waren unvorstellbar. Ein Schauer lief mir über den Rücken, und die Härchen in meinem Nacken sträubten sich.
    Das Null wankte auf mich zu.
    Ich wimmerte und tat einen Satz nach rückwärts. Fast wäre ich gestürzt. Ich riß meine Waffe hoch.
    Das Null blieb stehen, und sein Kopf pendelte langsam in einem Halbkreis. Seine Augen glitten auf seltsame Weise hin und her, und ich bezweifelte, daß es mich überhaupt deutlich sehen konnte. Wahrscheinlich war ich nichts als ein dunkelgrauer Schatten.
    Ich versuchte meinen keuchenden Atem zu beruhigen. Es konnte mir nichts tun, es war harmlos und sowieso schon fast tot. Langsam senkte ich die Waffe, gewaltsam löste ich meine Finger vom Griff und hängte sie über meine Schulter.
    Vorsichtig schob ich mich auf das Null zu. Es schwankte, aber es rührte sich nicht von der Stelle. Unten am Fuße des Geröllhangs sah ich den Vactransporter als matten, metallisch schimmernden Fleck. Langsam streckte ich die Hand aus. Das Null rührte sich nicht. Aus der Nähe sah ich, wie seine mageren Rippen sich unter der Anstrengung seines stoßweißen Atems hoben und senkten. Es zitterte, und gelegentlich lief ein konvulsivischer Krampf bebend durch seine Glieder. Ich war überrascht, daß es nicht stank; es hieß, daß Nulls einen starken Körpergeruch besäßen, zumindest erzählte man sich das in den Feldlagern – dummes Zeug, wie so vieles von dem, was ich damals wußte. Eine Minute lang beobachtete ich es fasziniert, aber mein Training sagte mir, daß ich hier nicht lange herumstehen durfte. Wir waren völlig ungedeckt. Ich tat einen weiteren Schritt vorwärts, griff nach ihm und zögerte. Ich wollte es nicht berühren. Ich schluckte meinen Abscheu herunter, suchte an seinem Oberarm nach einer Stelle ohne Verbrennungen und Wunden und packte es fest mit einer Hand.
    Bei der Berührung zuckte das Null zusammen, aber es unternahm keinen Versuch, nach mir zu schlagen oder zu fliehen. Wachsam wartete ich einen Augenblick, bereit, es mit einem Ringergriff zu umklammern, falls es mich angreifen sollte. Es rührte sich nicht, aber ich fühlte, wie sein Fleisch unter meinen Fingern kribbelte, und reflexartig schauderte es mich ebenfalls. Als ich sicher war, daß das Null mir keine Schwierigkeiten bereiten würde, wandte ich mich um und schob es vor mir her den Hang hinauf.
    Es gehorchte meinem Stoß widerstandslos, bis wir in die Nachtbüsche eindrangen. Dann aber taumelte es und gab einen blökenden, unartikulierten Laut von sich. Die Pflanzen verbrannten es, sie saugten die Wärme aus seinem Fleisch und riefen frische Striemen hervor, die dort, wo die Haut an den Blättern klebengeblieben war, widerlich aussahen. Achselzuckend stieß ich es voran. Noch einmal blökte es schwankend. Ich blieb stehen. Die Augen des Nulls wanderten in meine Richtung, und es wimmerte leise und schmerzerfüllt. Ich fluchte im stillen wegen der Zeitverschwendung, aber dennoch ging ich voraus, bahnte dem Null einen Weg und zerrte es hinter mir her. Die Zweige schlugen wirkungslos gegen meinen Thermoanzug, als ich sie zur Seite bog. Gelegentlich fuhr einer zurück und klatschte gegen das Null, so daß es wimmernd zusammenzuckte, aber das

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