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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Schließlich war ich damals auch erst in den frühen Zwanzigern.“
    Der Sprühregen hatte aufgehört, die feuchte Straße glitzerte noch von den Tropfen. Die schmucklosen, mit tief heruntergezogenen Dächern bedeckten Häuser hoben sich dreidimensional gegen den Himmel ab. Es war beinahe schön. Whitehead sprach sanft in einer Sprache mit der Frau, die sie wahrscheinlich nicht verstand, während das volle Aroma des Kaffees von dem sauberen und ordentlichen Sideboard herüberzog. Seine Augen spiegelten sich in den Fenstern des Hauses, das die Offiziere, die er begleitete, konfisziert hatten, und wanderten, ohne ihn eigentlich zu sehen, zum Jeep, der draußen an der Straße parkte. Die Ruhe war trügerisch.
    Die Frau saß völlig still in einem kunstvoll gearbeiteten Sessel und betrachtete seinen Hinterkopf. Gelegentlich verlagerte sich ihre Aufmerksamkeit zu den Offizieren am Tisch, die dem Funkgerät sinnlose Geräusche entlockten. Sie sah Armeen kommen und wieder aus dem Tal verschwinden, sah die Flüchtlinge und war geblieben.
    „Sie war verheiratet, als wir uns das erste Mal begegneten, und ein wenig älter als ich. Hatte zwei Kinder. Aber sie wurden von der Träumer-Seuche befallen, und sie verlor den Bezug zur Realität. Sie redete ständig davon, nach Norden zu fahren und sie zu suchen. Die Straßen waren noch zu befahren, wenn man Benzin und die nötigen Papiere besaß. Ein- oder zweimal trafen wir sogar Vorbereitungen für die Reise, und ich fuhr sie ein wenig herum – die Stadt öde und verlassen, überwuchert und zerfallen –, betrachtete dabei das Profil ihres Gesichtes und ihre Augen, wenn sie sich eine Zigarette anzündete. Sie hatte eine rasche, nervöse und doch zärtliche Art, den Rauch zu inhalieren. In ihren Augen, die meine nurmehr für kurze Augenblicke streiften, lag Schuld – und dahinter vielleicht Angst. Aber es war eine gute Zeit für uns – trotz allem.“
    Whitehead langte zum Sideboard und nahm seine Augen für einen Moment von der Straße. Amerikanischer Kaffee. Es war Jahre her, seit er zuletzt welchen gekostet hatte. Er fragte sich, wie viele von den Familien wohl in entlegene Gebiete weggeschafft, aus den Städten gerettet, für die Zukunft gehortet worden waren.
    Captain Greaves sprach ins Funkgerät. Berichtete vom Scheitern der Verhandlungen mit den meuternden Truppen, der daraus folgenden Unmöglichkeit, die militärischen Ziele innerhalb der kritischen Zeitspanne zu erreichen. Die Truppen würden ihre derzeitigen Positionen bei einem Angriff verteidigen, jedoch keinen Gegenangriff unternehmen, solange ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Wie lange würde es noch dauern, bis sie häufiger und in größerer Zahl desertierten und die letzten Reste von Disziplin über Bord warfen? Die Möglichkeit offener Gewalttätigkeit gegenüber Offizieren konnte nicht länger ausgeschlossen werden.
    Die Alternative war klar. Wenn das Ziel nicht eingenommen werden konnte, mußte es zerstört und für den Feind unbrauchbar gemacht werden. Langstreckengeschütze waren in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen, während zusätzliche Granaten auf die Rebellen in den Schützengräben gerichtet werden konnten.
    „Dann ging sie einfach weg. Die Wohnung erschien mir plötzlich riesig und leer. In der Pfanne schwamm noch erkaltetes Fett, aber nicht einmal ein Brief lag für mich da. Es war verrückt und sinnlos. Irgendwie, denke ich mir, ist alles sinnlos.“
    Draußen vor dem Fenster bewegte sich etwas. In seiner Hast stieß Whitehead den Kaffee um, der sich über den Boden ergoß. Heiße Flüssigkeit sickerte in den Teppich, der Dampf tanzte über der feuchten Stelle, während der Soldat sein Gewehr auf die Schatten richtete.
     
    „Dann existieren da noch diese bizarren, apokalyptischen Vorstellungen, die Träumer seien allwissend. Vielleicht konnten die Mechanismen des Unterbewußtseins während dieses Zwanzig-Jahre-Schlafes mit ziemlich merkwürdigen Resultaten aufwarten, und doch sind deutlich erkennbare Gemeinsamkeiten zutage getreten. Als ob es sich irgendwie um eine Warnung handelte. Eine Vision der Umformung der menschlichen Rasse …“
    „…, die, wie sollte es anders sein, völlig verrückte neue Religionen hervorbrachte“, kommentierte Tanghe aus dem Rollstuhl. „Ganz abgesehen von den Gerüchten, während des Chaos seien alle machthabenden Persönlichkeiten durch außerirdische Roboteragenten ausgetauscht worden, um eine planetarische Machtübernahme vorzubereiten.“ Er

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