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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Die Mater Dolorosa des Balkans, Ikonen, große, geschmückte Kerzen und byzantinische Wandteppiche, alles dem hereinbrechenden Krieg preisgegeben. Über die Öde der Berge zerstreut hausten die Flüchtlinge, Fremde, unbegreifliche Menschen, die ihr Leid hinnahmen, das in jeder Pore eingeätzt war; viele Familien trugen ihre Träumer mit sich.
    Widerwillig folgte Whitehead den beiden Offizieren die erdigen Stufen in den Schützengraben hinunter. Ein arischer Soldat in schmutziger Zivilkleidung salutierte, ließ sie vor sich her an den Ställen vorbei zum Befehlsbunker gehen. Whitehead bewegte sich langsam, der Boden unter seinen Füßen war schwammig, der Schmutz nur überdeckt durch Lagen von Sackleinwand. Gelegentlich standen Soldaten in grauen Gruppen schlaff zusammen und warfen feindselige Blicke um sich, die so genau und treffsicher waren wie die Kugeln von Heckenschützen.
    „Der Krieg ist das einzig Beständige, das uns geblieben ist“, führte Captain Greaves aus. Der Bunker war feucht. Schlecht beleuchtet von einer nackten Glühbirne, die von der feucht-fleckigen Decke hing und mit einer Autobatterie auf dem Kartentisch verbunden war.
    „Die Armee hatte immer zwei Aufgaben zu erfüllen. Jene zu vernichten, die der Regierung außerhalb der Landesgrenze nicht genehm waren, und ebenso jene zu vernichten, die es innerhalb der Grenzen nicht waren. Loyalität ist käuflich. Aber zu welchem Preis? Wer bezahlt die Zeche?“ Die Abgesandten der meuternden Divisionen zeigten sich unbeeindruckt.
    „Wir verlangen keine Loyalität zu den Regierungen. Aber zum Überleben der westlichen Kultur. Überall in der Welt erwachen die Träumer. Die politischen Karten müssen neu gezeichnet werden, um sie den neuen Machtstrukturen anzugleichen. Wir müssen sicherstellen, daß unser Machtblock günstig daraus hervorgeht. Das ist die grundsätzliche Philosophie des Überlebens. Wenn wir unter den neuen Bedingungen konkurrieren und leistungsfähig bleiben wollen, müssen wir so viele ihrer Träumer-Gehirne erwischen, wie wir können, bevor sie erwachen.“ Die Soldaten sahen wie Briganten aus, überlegte Whitehead. Sie hatten ihre eigene Philosophie des Überlebens herausgefunden.
     
    „Die Auswirkungen der Träumer-Seuche waren doppelter Natur. Einmal befiel sie dreiviertel der Weltbevölkerung und brachte Stadt, Nation, Industrie und Landwirtschaft zum Stillstand. Die Träumer schliefen, atmeten flach, nahmen nichts zu sich und lebten doch – alterten auf natürliche Weise. Man konnte sie verstümmeln oder töten, transportieren, in Gewölben oder Mausoleen aufbewahren, aber nicht aufwecken. Bereits während der ersten zehn Jahre wurde die Zivilisation schnell abgetragen. Riesige Industrieunternehmen wurden preisgegeben und dem Rest überlassen, Städte dem Verfall, während kleinere, autonome Einheiten weiterbestanden. Nach den Zusammenbrüchen der ersten Jahrzehnte schlugen sich Krieg, Revolution und territoriale Auseinandersetzungen in neuen Grenzen nieder. In den zerfallenen Städten vergingen die Epidemien, und die Ordnung – wenn man sie noch so nennen will – erstarkte wieder. Dann, zwanzig Jahre nach dem Phänomen des ersten Träumers, begannen sie zu erwachen. Die Weltbevölkerung, die auf eine Zahl von kleinen Gemeinwesen zusammengeschrumpft war, vervielfachte sich plötzlich in eine Welt von verlassenen, ausgestorbenen Städten und den verrotteten Gehäusen unbenutzbarer Maschinen. Der Zusammenbruch und die nachfolgende Not waren von beispiellosem Ausmaß.“ Das Filmbild verschwand. Das Licht erschien wieder in den Lichtkegeln an der Decke der Vortragshalle.
    „Sie waren Träumer“, sagte der alte Tanghe aus seinem Rollstuhl heraus. „Aus dem Chaos gerettet, das die Welt heimsuchte, hierher gebracht, auf meine Insel. Ausgewählt aufgrund ihrer spezifischen Kenntnisse vor dem Zeitpunkt ihres Erwachens. Genau in diesem Augenblick befindet sich mein Sohn in Osteuropa bei einer solchen Rettungsmission.“
     
    Der erste Hubschrauber ging, gezeichnet mit den Einschlägen der Gewehrkugeln, herunter und spuckte Soldaten über die karge, surreale Einöde der Verteidigungsanlage des Mausoleums. Geschützfeuer explodierte um jeden herabsteigenden Mann. Der zweite Hubschrauber belegte das Gebäude mit automatischen Waffen, trieb Meißel aus Feuer in seine monolithische Fassade. Die Verteidiger handelten unkoordiniert, unter Druck und noch benommen von der Überraschung.
    Benyons Hubschrauber landete ohne weitere

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