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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Störung auf der weiten Fläche des Daches, und eine Kolonne von Männern strömte heraus, die Tanghe in Richtung Zentrum führte. Die Verteidiger stellten den Kampf ein; ihre Zahlen erschöpften sich, als ihre Aufmerksamkeit, wie geplant, auf den frontalen Angriff gelenkt wurde. Granaten zeichneten Spinnennetze in die Glasplatten, zerfetzte, uniformierte Männer lagen über den Geschützaufbauten. Tanghe führte die Männer durch den Komplex zu den Liftschächten, die tief in das Herz des Mausoleums reichten. Sie trafen auf keinen Widerstand, bis sie auf dem 23. Stockwerk anlangten, wo ein Feuergefecht das Eindringen um Minuten verzögerte, die ihnen wie zehn Jahre erschienen. Der zentrale Komplex wurde gut verteidigt. Die Eindringlinge schossen sich ihren Weg durch brutale Feuergewalt frei. Dann tauchte ein neues Problem auf, das des Standortes. Während die Truppen die Ausgänge freihielten, begannen Tanghe und Benyon die Datenbänke auszuwerten. Elektronische Impulse huschten über die Monitoren. Der Computer barg die genaue Lage von beinahe einer Million Träumer, die über Hunderte von Stockwerken verteilt waren, fünfzig davon unterirdisch. Sie suchten nur einen Namen.
    Tanghe wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Der Marxismus kann als letztes Relikt des ‚Zeitalters der Vernunft’ betrachtet werden“, hatte sein Vater erklärt. „Die letzte Philosophie, die für sich in Anspruch nimmt, alles mit dem Verstand zu erfassen. Nicht durch Naturgesetze oder übernatürliche Gottheiten, sondern durch die Macht des menschlichen Willens über das Schicksal erkämpft der Mensch eine bessere und hoffnungsvollere Zukunft.“ Seine zynische Beredsamkeit hatte ihm immer großen Spaß bereitet. „Es handelt sich dabei um eine Philosophie, für die Hoffnung nichts Unmögliches darstellt. Der entgegengesetzten Sicht, daß die Geschichte zufällig, zyklisch, ohne Ziel oder Bestimmung verläuft, als eine endlose Folge und Inszenierung von vergangenen Machtspielen, Kriegen und Tyranneien, bis die Welt zugrunde geht, fehlt sogar der Mythos der Hoffnung.“ Als derart vage Idealisten, grübelte Tanghe, leisteten sie ziemlich gute Arbeit im Mausoleum. Während die Sekunden verflogen, fühlte er intuitiv, wie die Verteidigungstruppen sich jenseits der Mauern unverzüglich sammelten, um die eingedrungenen Truppen zurückzuwerfen. Er spürte ein dumpfes Gefühl in der Magengegend.
     
    „Zunächst einmal ist die Träumer-Seuche keineswegs als Naturereignis anzusehen“, fuhr der Vortragende fort. „Es hat da einiges Gerede gegeben, die Natur regele so das Anwachsen der Bevölkerung. Es gibt auch Gerüchte über starke UFO-Aktivitäten in der Antarktis kurz nach Ausbruch der Seuche. Alle Berichte sind unzusammenhängend, was auf den instabilen Zustand der sozialen Bedingungen in dieser Zeit zurückzuführen ist. Es sind ebenso Gerüchte über außerirdische Raumflotten aufgetaucht, die riesige unterirdische Städte unter den Eiskappen errichten, von wo sie die Reste der menschlichen Zivilisation in Besitz zu nehmen gedenken.“
    Die Zuhörerschaft, etwa dreißig bunt zusammengewürfelte Akademiker, reagierten auf die Ausführungen ohne ein Anzeichen von Humor.
    „Derartige Gerüchte können selbstverständlich ausgeklammert werden, aber es bleibt die Frage: Warum geschah es? Welche Intelligenz, sofern es sich um eine solche handelt, hat die Dinge in Bewegung gebracht? Ist ähnliches schon in der Vergangenheit geschehen – und verantwortlich zu machen für das Ausradieren früherer, prähistorischer Zivilisationen? Ereignet es sich wieder?“
    „Also göttliche Einmischung?“ warf Tanghe mit dem ihm eigenen Zynismus ein, der seinen Charakter prägte, seit er – lange vor der Träumer-Seuche durch die Förderung von Bodenschätzen aus dem Meeresboden – nach weltweitem Ansehen und Reichtum griff.
    „Soweit es sich feststellen läßt, tauchte die Seuche mit nur geringer regionaler Abweichung, die einen anderen Schluß nicht zuläßt, völlig zufällig auf und verlief unabhängig von Nationalität, Geschlecht, Blutgruppe, Ernährung …“
     
    „Lebte mit ihr fast achtzehn Monate in einer Kellerwohnung in Hampstead zusammen. Es war eine ziemlich gute Zeit. Wir gingen viel am Fluß spazieren, schauten uns Sonnenuntergänge an, lagen zigarettenrauchend im Bett, tranken Kaffee, hörten Tristan und Isolde aus dem Kofferradio, solche Sachen eben. Unsere Beziehung spielte sich zwischen Kaffeesatz und schmutzigen Laken ab.

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