Kopernikus 6
Bigger Nork untergebracht. D’Albert betrat die mit imitiertem Marmor ausgekleidete Empfangshalle und eilte in den Gravinoster. Im zweiten Stock verließ er den Lift und rannte den Flur entlang, bis er die Tür mit der Aufschrift Muller I-III, Jura-Klon gefunden hatte.
Er stieß sie auf und ging geradewegs auf den imposanten Schreibtisch des dreifachen Anwalts zu.
Einer der Muller-Ableger saß dahinter und seufzte.
„Darf ich Ihnen Cordigit anbieten?“ fragte d’Albert höflich und griff in die Brusttasche seines Schlafanzugjacketts.
„Lassen Sie nur, ich bin im Dienst und fühle mich davon abgesehen ganz wohl.“
„Würden Sie mir verraten, weshalb Sie geseufzt haben?“
„Es schmerzt mich, daß ich Sie nicht willkommen heißen kann.“
„Gehört das zu den Regeln des Hauses?“
„Es wäre nicht anständig. Sie haben Ihren Besuch nicht avisiert, mein Herr. Wie heißen Sie überhaupt?“
„D’Albert“, sagte d’Albert und deutete eine Verbeugung an.
„Wie sind Sie an meinem Vorzimmerklon McNulty vorbeigekommen?“
„Ich habe kein Vorzimmer bemerkt.“
„Es sind aber vier Stück vorhanden“, schmollte Muller. „Sie sind alle von Miss McNulty und ihren Ablegern besetzt. Das größte von ihnen ist erst vorige Woche neu renoviert worden.“
„Renoviert“, sagte d’Albert automatisch.
„Wie bitte?“
„Sagen Sie einfach ‚renoviert’. Das ‚neu’ ist überflüssig, da ‚renoviert’ bereits ‚erneuert’ heißt.“
„Interessant. Welche Sprache?“
„Lateinisch.“
„Aha. Sie wünschen?“
„Vielleicht sollte ich zuerst Ihren Vorzimmerklon besuchen.“
„Nein, lassen Sie nur, das würde uns nur aufhalten. Was ist Ihr Anliegen?“
„Ich möchte, daß Sie einen Diebstahl aufklären.“
Als wäre dieses Wort ein geheimes Kommando gewesen, öffneten sich in diesem Augenblick die rechte und die linke Seite des Muller-Schreibtisches, und es kamen, zu Beginn noch leicht gebückt, aber schon nach wenigen Schritten in aufrechter Haltung, zwei Männer heraus, die sich in Aussehen und Kleidung nicht im geringsten von dem ersten Muller unterschieden.
Sie setzten sich auf zwei Hocker, die den Besuchersessel, auf dem d’Albert saß, in geringem Abstand flankierten. Dann sahen sie D’Albert aufmerksam an.
D’Albert stand auf, ging um den Schreibtisch herum und betrachtete die beiden Seitenunterschränke. Der erste war leer bis auf eine umgefallene Colaflasche und einige Kekskrümel. Der zweite beherbergte nichts außer einem bestickten Kissen.
„Aha“, bemerkte d’Albert und begab sich wieder auf seinen Platz.
„Was meinen Sie mit ‚aha’?“ erkundigte sich Muller-hinter-dem-Schreibtisch.
„Ich habe mich vergewissert, woher Ihre Gehilfen kamen.“
„Beachtlich“, erwiderte Muller. „Sie hätten gewisse Qualifikationen für unseren Beruf.“
D’Albert beobachtete scharf das Gesicht seines Gegenübers, konnte aber keine Anzeichen von Spott auf ihm entdecken. Er winkte ab und sagte: „Um auf mein Anliegen zurückzukommen …“
„Darf ich Ihnen meine Ableger vorstellen: Nummer II und III des Muller-Klons. Sie brauchen jedoch Ihre bisherigen Ausführungen nicht zu wiederholen, die beiden haben mitgehört.“
„Ich habe noch keinerlei Erklärung abgegeben.“
„So? Dann wird es aber Zeit. Wir kommen sonst in Verzug, Sie verstehen.“
„Schalte deinen Verstärker ein, du Dussel. Oder ist er schon wieder kaputt?“
„Muller II ist kein Dussel“, meldete sich jetzt Muller III. „Er ist vielmehr mit der Lösung des Falles befaßt.“
„Aber der Fall ist doch noch gar nicht bekannt!“
„Mit dem Fall Grosvenor. Vor drei Monaten.“
„Es handelte sich um ein außerordentlich komplexes Problem“, wandte sich Muller II an d’Albert, indem er entschuldigend lächelte. „Ich sagte absichtlich ‚handelte’, weil ich es soeben gelöst habe.“
„Belästige den Herrn nicht mit vergangenen Fällen, du Dussel“, sagte der als Muller I signifikant gewordene Muller hinter dem Schreibtisch mit autoritärer Stimme. „Mr. d’Albert, würden Sie bitte endlich Ihren Fall vortragen, wir haben nicht ewig Geduld, wissen Sie.“
D’Albert verzichtete auf eine wütende Erwiderung und sagte statt dessen: „Ich bin, wie ich bereits andeutete, beraubt worden. Man hat mir ein Stückchen Haut entnommen.“
„Dann klagen wir auf ‚Körperverletzung’.“
„Dazu ist die Wunde nicht groß genug. Mein Vorstoß zielt in eine andere Richtung. – Ich vermute,
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