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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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sonst sollte man die Probleme lösen? Es ist immer wieder das hinreichend bekannte Problem von Buridans Esel (wobei der Esel eigentlich ein Hund war), wie in jeder Zeit. Buridans Esel stirbt vor Hunger, weil er sich nicht zwischen zwei gleich großen Futterhäufchen entscheiden kann.
    Geschichte: ein pons asinorum, bei dem die Menschen die Esel auf der Brücke der Zeit sind.
    Nein, diese beiden Vergleiche sind weder fair noch richtig. Es ist wie bei Hobsons Pferd. Die einzige andere Möglichkeit ist die Bestie im nächsten Stall. Heute nacht reitet der Zeitgeist, und der Teufel führt die Hinterbeine.
    Die Schriftsteller der dreifachen Revolution Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts dokumentieren in mancher Hinsicht Vorhersehungsgabe. Aber sie unterschätzen die Folgen, die der Wegfall der Notwendigkeit zu arbeiten auf jedermann hatte. Sie waren der Meinung, daß alle Menschen gleiche Fähigkeiten und ein gleiches Potential zur Entwicklung künstlerischer Neigungen haben, daß alle sich mit Kunst, Handwerk oder Hobbys beschäftigen können oder einfach um des Lernens willen lernen. Sie wollten sich nicht mit der ‚undemokratischen’ Tatsache abfinden, daß höchstens zehn Prozent der Bevölkerung – wenn überhaupt! – imstande sind, etwas Wertvolles und Lohnendes zu produzieren – oder wenigstens etwas, das auf dem Feld der Künste auch nur einen Pfifferling wert ist. Begabungen, Hobbys und eine lebenslängliche akademische Ausbildung verblassen nach einer Weile, also wieder zurück zu Suff, Fido und Vögeln.
    Aufgrund mangelnden Selbstrespekts werden die Väter zu Vogelfreien, zu Nomaden in den Steppen des Sex. Mutter, mit übergroßem M, wird zur beherrschenden Gestalt im Familienleben. Sie bumst wahrscheinlich auch gehörig durcheinander, aber immerhin kümmert sie sich um die Kinder. Sie ist den größten Teil der Zeit anwesend. Da Vater eine unbedeutendere Gestalt, abwesend, schwach oder gleichgültig ist, werden die Kinder häufig homosexuell oder bisexuell. Aus dem Wunderland wird gleichzeitig ein Schwulenland.
    Einige Wesenszüge dieses Zeitalters waren vorhersehbar. Sexuelle Schrankenlosigkeit war einer davon, obwohl keiner hatte annehmen können, daß sie so weit gehen würde. Aber schließlich hätte auch keiner die Panamoritensekte vorhersehen können, obwohl Amerika schon immer verrückte Religionskulte so zahlreich wie Froschlaich in einem Tümpel hervorgebracht hat. Der Wahnsinnige von gestern ist der Messias von morgen, und so konnten Sheltey und seine Jünger die Jahre der Verfolgung überstehen, und heute sind ihre Vorstellungen in die Kultur integriert.“
    Großpapa richtet die Mündung des Skops wieder auf Chib aus.
    „Da geht er hin, mein wunderbarer Urenkel, und bringt den Griechen seine Gaben dar. Bisher hat Herkules den augäischen Stall des Geistes noch nicht ausmisten können. Und doch könnte er vielleicht erfolgreich sein, dieser fehlgetretene Apollo, dieser abgewrackte Ödipus. Er ist glücklicher als die meisten seiner Zeitgenossen. Er hatte einen dauerhaften, wenn auch geheimen Vater, einen zänkischen alten Mann, der sich vor der sogenannten Justiz verbergen mußte. Er hat Liebe, Disziplin und eine hervorragende Ausbildung in dieser verborgenen Kammer erhalten. Außerdem ist er so glücklich, einen Beruf zu haben.
    Aber Mama gibt viel zuviel aus und ist außerdem noch spielsüchtig, eine schlechte Gewohnheit, die sie ihres regelmäßigen Einkommens beraubt. Ich bin ja offiziell tot, also bekomme ich die Purpurne Sozialhilfe auch nicht. Chib muß also für alles geradestehen, indem er seine Bilder vermarktet und verkauft. Luscus hat ihm geholfen, indem er ihn bekanntgemacht hat, aber Luscus kann sich auch jeden Augenblick wieder gegen ihn wenden. Doch der Erlös der Bilder reicht immer noch nicht aus. Geld ist keine Grundlage unserer Ökonomie, es ist lediglich ein seltenes Hilfsmittel. Chib braucht die Unterstützung durch den Zuschuß, den wird er aber nur bekommen, wenn er sich von Luscus lieben läßt.
    Es ist nicht so, daß Chib homosexuellen Beziehungen ablehnend gegenübersteht. Wie die meisten seiner Zeitgenossen ist auch er bisexuell. Ich glaube, daß er und Omar Runic sich immer noch hin und wieder einen blasen. Und warum auch nicht? Sie lieben einander. Aber Chib weist Luscus aus Prinzip zurück. Er möchte sich nicht zur Hure machen, um seine Karriere erfolgreich zu gestalten. Außerdem trifft Chib darüber hinaus eine Unterscheidung, die tief in dieser Gesellschaft

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