Kopernikus 9
er sogar die Priesterweihe … dann wäre der Wein … ein Wunder möglicherweise, dachte Jeff.
Er sprang auf, nahm den Krug vom Tisch und hob ihn mit beiden Händen an den Mund. Er trank in langen Zügen und achtete nicht darauf, daß das Blut des Herrn über seine Hände floß.
Der ferne Jubelgesang brandete machtvoll auf.
Jeff öffnete die Augen, die er während des Trinkens verzückt geschlossen hatte – das Göttliche Licht brach durch das Kerkerfenster und wies ihm den Weg, der in seinem Herzen bereits vorgezeichnet war. Die Tür des Gefängnisses sprang auf, Jeff ging unangefochten hindurch. Vor ihm eine breite, gerade Straße, die leicht bergan führte und links und rechts von Menschen gesäumt war.
Es waren alle in Seinem Namen versammelt, die insgeheim glaubten. Jeff kannte sie nicht, aber er spürte ihre tröstliche Gegenwart.
In weiter Entfernung, auf dem Hügel, erhoben sich drei winzige Kreuze vor einem Himmel, der vom hiesigen gänzlich verschieden war. Er war dort bedeckt mit schwärzlich-blauen Wolken, die unaufhörlich umeinander brodelten und zwischen zwei Lidschlägen mehrmals von Blitzen zerrissen wurden.
Am mittleren der Kreuze hing der Herr, dessen Antlitz Jeff deutlich erkennen konnte. Die beiden Gekreuzigten neben ihm hatten blasse Puppengesichter ohne Konturen.
Der Herr lächelte dem Nahenden erwartungsvoll entgegen.
Jemand aus der andächtig schweigenden Menge reichte Jeff eine Tüte mit irgendeiner Aufschrift.
„Nimm, denn dies ist mein Leib“, sagte Christus in der Ferne. Jeff sah, wie er die aufgesprungenen Lippen qualvoll bewegte, und hörte die Stimme deutlich in seinem Kopf. Er griff in die Tüte und aß.
Der von Orgelklang begleitete Lobgesang des unsichtbaren Engelchores schwoll erneut zu erhabener Macht an, und ein großes Licht brach aus dem Himmel. Jeff sah zagend nach oben und blinzelte; dort stand in der strahlenden Bläue eine gleißende Schrift
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Als er die Worte entziffert hatte, zog sich die Drahtschlinge zu, die während der vergangenen Stunden um seinen Hals gelegen hatte.
Viele Millionen Holovision-Zuschauer griffen erleichtert nach Snacks und Getränken.
4
Rod starrte erschrocken auf die Überreste des vorlauten Troopers. Die Freunde des Toten sahen den Amtmann entgeistert an.
Der ältere Merite erhob sich mit quälender Langsamkeit aus seinem Sessel und stand dort eine Weile leicht schwankend – wie ein Schilfrohr im Wind –, das Gesicht war wachsbleich.
„Dies war mein einziger Sohn; das unerforschliche Karma hat mir die größte Freude meines Lebens genommen“, intonierte er mit abwesendem Blick, „jetzt bin ich ein einsamer Mann. Aber der Mensch soll sein Herz nicht an das Vergängliche hängen. Auch unsere Leiber gehören zu diesen Dingen, die ohne Dauer sind; und es zeugt nicht von wahrer Liebe, wenn man eine Seele daran hindert fortzuschreiten.“
Er ging zur Wand und sagte in die Membran des Komm-Terminals: „Schicken Sie sofort ein Ordnungsmodul in Loge Vier-Siebzehn – sorgen Sie dafür, daß es eine Urne mitbringt. – Ja? – Richtig, eine Urne zur Aufbewahrung sterblicher Überreste.“
Dann kehrte der Merite an seinen Platz zurück und richtete das Wort an Rod: „Ich bitte Sie, Amtmann, den Zwischenfall zu vergessen. Ich würde Sie ja liebend gern umbringen lassen, aber ich habe nur noch eine Wiedergeburt vor mir – Sie verstehen? Darf ich Sie als kleine Entschädigung dafür, daß Sie Ihr Karma durch die Schuld meines Sohnes belastet haben, zu der Totenfeier einladen? – Haben Sie doch die Güte, die weiteren Kämpfe an meiner Seite zu genießen.“ Er klopfte leicht auf den Sitz des Sessels neben seinem.
Rod löste sich langsam aus seiner Erstarrung und setzte sich auf den angebotenen Platz. Der Merite reichte ihm eine Visitenkarte. Rod las: Phil Goverts, Merite und steckte das Kärtchen ein.
Dann widmeten sich beide den Vorgängen in der Arena.
Ein muskulöser Mann mit nacktem Oberkörper war eben dabei, sich mit auf die Finger aufgesetzten Stahlklingen gegen ein unermüdlich anstürmendes Nashorn zu verteidigen. Der felsengraue Kampfkoloß blutete bereits aus unzähligen Wunden, aber seine Kampfwut schien ungebrochen.
Auf der riesigen Anzeigetafel, die über der staubigen Arena schwebte, standen die Worte
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Rod sah, daß man das schenkeldicke Hörn des Tieres bis auf einen Stumpf abgesägt hatte – eine Tatsache, die es bei seinen Angriffen
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