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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Dunkelheit.
    Sonst ist alles still, ganz still.
    Selbst die Fahne der Nation am Eingangstor hängt schlaff vom Mast.
    Fischer sinkt ohne ein weiteres Wort, eine weitere Geste in sein Bett und ist sofort weg. Auch Herbstmann kriecht geschmeidig unter seine Decke, streckt sich aus, zieht sich die Decke trotz der schwülen Hitze bis unter das Kinn und starrt mit offenen Augen an die Decke. Ob er wieder diesen stählernen, harten und schneidenden Traum vom C HAMÄLEON träumen wird? Wird ihn im Schlaf wieder dieses Bild des muffigen, stählernen Sarges überwältigen, des Sarges, in dem er wehrlos liegt und aus dem nach und nach der letzte Rest stinkender Atemluft entweicht?
    Draußen säuselt der Nachtwind um das Gebäude.
    Sonst ist alles still, ganz still.
    So still …
    Plötzlich gellt Sirenengeheul durch die Stuben, durch die Korridore, über das gesamte Gelände. Gedämpftes Licht flammt auf, überall, wie von Geisterhand entzündet.
    Jürgen-Peter Obersen steht sofort kerzengerade neben seiner Pritsche, hält mit einer Hand die Unterhose fest und brüllt laut und vernehmlich: „Scheiße!“
    Hubert Herbstmann springt mit einem Satz zu Wolfram Fischer und knallt ihm eine. Das ist erfahrungsgemäß die einzige Möglichkeit, ihn im Alarmfall wach zu bekommen. Klaus Lichterfeld steht schon am Spind und schlüpft in den Kampfanzug.
    Handfeuerwaffe umschnallen. Socken über, Stiefel binden. Gepäck fassen inklusive „Schutzfolie gegen atomaren und biologisch-toxischen Niederschlag“, wie das glänzende Ding laut Dienstanweisung „DOT XIVI 4 a“ offiziell genannt werden muß. Inoffiziell heißt es „Überlebensfromms“. Den guten alten Stahlhelm nicht vergessen.
    Aufstellung nehmen. Der kleine blonde Herbstmann als Stubenältester nach vorn.
    „Alles fertig?“
    „Fertig!“
    „Ab!“
    Draußen ist der Teufel los. Die Sirenen heulen noch immer. Aus den anderen Stuben quellen Soldaten in Vierertrupps, sie alle stampfen durch die Korridore, hin zu ihrer Einstiegsluke, wo sie eine Rutsche auf das Dach der mobilen Festung befördern wird. Jeder Trupp für sich bildet eine Besatzung für ihre mobile Festung C HAMÄLEON , sie alle in dieser Kaserne sind Angehörige der „Spezialeinheit des Heeres C HAMÄLEON “.
    Fischer, Herbstmann, Obersen und Lichterfeld sind die Besatzung des CHAMÄLEON III.
    Herbstmann, der älteste, wischt sich noch mal mit dem Ärmel seines buntgescheckten Kampfanzuges über die schweißnasse Stirn, bevor er mit beiden Händen die Stange über der Einstiegsluke ergreift und dann mit einem hundertmal eingedrillten Aufschwung mit den Füßen zuerst in der kreisrunden Öffnung verschwindet.
    Obersen, blaß und weißblond, immer noch hellwach und wie elektrisiert durch die Alarmsituation, brüllt noch einmal ein an niemanden gerichtetes „Scheiße!“ gegen die Wand, bevor auch er verschwindet.
    Lichterfeld, dünn und großnasig, ruft drohend zum Trupp rechts: „Bergmann, morgen sind die fünfzig Eier fällig, klar?!“ Dann verschafft er sich den üblichen Abgang.
    Fischer folgt. Der schwarzhaarige, braunhäutige, gutaussehende, stille Fischer.
    Im Rutschkanal ist es dunkel. Fischer hört ein dumpfes rhythmisches Getöse von allen Seiten. Das rührt von den Stiefeln her, die beim Eintauchen in den Kanal nach dem Aufschwung auf den Boden der metallenen Röhre poltern. Er winkelt die Beine an, hält sie mit den Armen zusammen, beugt den Kopf auf die Knie – und rutscht.
    Die Entfernung zum Hangar, wo die C HAMÄLEONS stehen, beträgt nur hundertzwanzig Meter, aber der Höhenunterschied zu den aus Geheimhaltungsgründen unterirdisch versteckten mobilen Festungen ist beträchtlich. Deshalb sind in die Röhre mehrere Bremskurven und komplizierte Schleifen eingebaut. Die Geschwindigkeit des herabsausenden Fischer steigt dennoch von Sekunde zu Sekunde. Links, rechts, rechts, links, auf, nieder, auf, links …
    Fischer hält die Knie fest umschlungen, und wieder geschieht, was er gefürchtet hat. Ein Bild fügt sich zusammen in der Finsternis; ein schmerzhaft-scharfes Bild aus der Vergangenheit, aus seiner Seele. Das Bild ergreift Besitz von ihm, von ihm, der sich vergebens wehrt gegen diese Erscheinung, vergebens wehrt wie immer.
     
    Es ist Nacht und sommerlich warm. Er hält Barbara an der Hand, sie stehen vor einem Zaun. Es ist der Zaun eines geschlossenen Vergnügungsparks in Holland. Er sieht deutlich ihr immer noch geliebtes sommersprossiges Gesicht und das schalkhaft aufblitzende Lächeln,

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