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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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die Rolle des Außenseiters zwingt, und er hegt trotz allem Sympathie für diesen gelegentlich kalt, intellektuell und verletzend auftretenden Lichterfeld, dessen eiserne Arbeitsdisziplin er – gerade weil er selbst eigentlich ein Träumer und Dichter ist – irgendwie bewundern muß. Und bisher hat es, außer diesem grundsätzlichen Mißtrauen, noch nie einen wirklichen, greifbaren Grund gegeben, an der Freundschaft und Loyalität und Hilfsbereitschaft des hageren, hochgewachsenen Mannes zu zweifeln, der jetzt aufmerksam den Luftraum beobachtet.
     
    BILDSCHIRM II:
    … zeigt in der Totalen die Umgebung draußen. Es ist noch Nacht und stockdunkel. Aber die vor kurzem noch so drückende Schwüle, diese Ruhe vor dem Sturm, scheint ihren Höhepunkt überschritten zu haben, ein gewaltiges Gewitter tobt dort in der Außenwelt. Bizarre Blitze in schneller Folge zerreißen die Nacht, beleuchten für Bruchteile von Sekunden die Silhouette einer unbekannten, entfernt liegenden Stadt, die flachen, grünen Wiesen in der Nähe, die wuchtige Rückansicht eines anderen, dahinsausenden C HAMÄLEON , sich gepeinigt biegende, sturmgepeitschte Bäume, den brutal auf den Asphalt der Rollbahn niederprasselnden Regen und die glänzenden, aufspritzenden Pfützen, die sich überall gebildet haben. Mehr ist nicht zu erkennen, nicht der Ort, an dem man sich befindet, nicht die Richtung, die man eingeschlagen hat. Man könnte Vermutungen anstellen, aber Herbstmann ist zu faul, Vermutungen anzustellen.
     
    BILDSCHIRM III!
    Die dritte Kamera zeigt den Maschinenraum. Hier treibt sich Obersen am liebsten herum, und er tut es auch jetzt. Inzwischen hat er sich in sein Heiligtum herabbegeben, denn es gibt nichts Schöneres für ihn als das Rattern der Maschinen, den Gleichtakt der Kolben, den Geruch von Öl, die stickige Hitze des Raumes, in dem die eigentliche, lebenswichtige Arbeit verrichtet wird.
    Technik ist nicht ein Bereich von vielen für Obersen, es ist seine Welt. Hier fühlt sich der wortkarge, manchmal bissige, menschenscheue Obersen wohl. Obersen, das ist ein Typ, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann, der aber jeden technischen Fehler mit unnachgiebigem Willen, mit der ganzen Schärfe seines Verstandes, mit unglaublicher Ausdauer sucht, einkreist, analysiert, bekämpft, schließlich vernichtet. Wo Computer versagen, da siegt er. Und dann, wenn der störende Feind, der technische Fehler, diese penetrante Beleidigung des menschlichen Geistes, gänzlich behoben, ausradiert, eliminiert, zerstört, liquidiert ist, erst dann erwacht der blaßblonde, derbe Obersen zu richtigem Leben.
    Dann trinkt und lacht er, erzählt verblüffend gute Witze, sonnt sich im warmen Licht des Erfolges, des Erfolges, den er unterbewußt als Triumph des Menschen über die immer noch oder schon wieder feindliche Natur auffaßt.
    Obersen, weiß Herbstmann, das ist ein Kaktus, der selten blüht, aber wenn, dann um so schöner und prächtiger. Sonst allerdings ist er bescheiden, zurückhaltend, macht nichts her um sich und ist doch ein Fels in der Brandung, auf den man sich in jeder Situation verlassen kann.
    Aber, so gut Obersen auch mit allen technischen Problemen zurechtkommen mag, so schwer fällt ihm insbesondere der Umgang mit dem anderen Geschlecht. Oft ist sein Verhalten gegenüber Frauen geradezu rührend hilflos, und diese – zumindest war es bisher so – respektieren sein „unchauvinistisches“ Verhalten, finden es im ersten Moment aufregend, bis sie ihn als „langweilig“ und „unmännlich“ empfinden und ihn links liegenlassen, um sich einem hohlen, aufgeblasenem Pfau zuzuwenden, der sie betrügen wird. Herbstmann weiß, daß auch Obersen das weiß und daß er diese seine Tragik analytisch mit vollkommener, wenn man so will, „technischer“ Klarheit erfaßt hat und trotzdem nicht abläßt von seinem Wesen und seinem Weg.
    Und für diese selbstbewußte, ruhige und kompromißlose Haltung sich selbst gegenüber bewundert er den scheuen Obersen insgeheim.
     
    „So, alles klar!“
    Fischer gibt Herbstmann einen Klaps auf das Bein und reißt ihn aus seinen Bildschirm-Meditationen. Er hat einen Stützverband angelegt. Herbstmann versucht ein paar Schritte. „Schon besser“, freut er sich, „fast wie neu.“
    Obersen kommt wieder herauf aus dem Maschinenraum. Seine Hände sind ölverschmiert, aber er strahlt bis über beide Ohren. „Alles okay“, teilt er mit. „Ich sage euch, unser C HAMÄLEON ist ein Wunderwerk. Wenn es sein müßte,

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